FDP auf Distanz zu Koalition – Parteitag will wirtschaftspolitische Kehrtwende

Bei ihrem Bundesparteitag ist die FDP auf noch größere Distanz zu den Koalitionspartnern gegangen.

Bei ihrem Bundesparteitag ist die FDP auf noch größere Distanz zu den Koalitionspartnern gegangen. Mit klarer Mehrheit billigten die Delegierten am Wochenende in Berlin die Vorschläge der Parteispitze für eine Kehrtwende in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, mit der die aktuelle Wachstumsschwäche überwunden werden soll – bei SPD und Grünen stößt der FDP-Plan für eine Wirtschaftswende allerdings auf Ablehnung. Mit der Leistungsbilanz der Ampel-Regierung zeigten sich Spitzenliberale und viele Delegierte unzufrieden. Auf einen Koalitionsbruch will die FDP aber nicht hinarbeiten.

Zweieinhalb Jahre nach Regierungseintritt der FDP bescheinigte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Koalition tiefe weltanschauliche Differenzen. „Es gibt einen großen Unterschied zwischen uns, und daran wird sich niemals etwas ändern“, sagte Djir-Sarai am Sonntag. Die FDP habe „ein anderes Staatsverständnis“ als SPD und Grüne: „Für uns ist das Geld der Steuerzahler nicht eine beliebige Verteilungsmasse“ – das unterscheide die FDP von Grünen und SPD.

Das Delegiertentreffen habe das Unbehagen der FDP in der „Ampel“ deutlich werden lassen, sagte Djir-Sarai: „Das ist kein Parteitag einer Oppositionspartei, aber auch kein Parteitag einer Regierungspartei, die sagt: weiter so.“ Mit dem Beschluss zum Wirtschaftswende-Papier des Bundesvorstands will die FDP die Bundesregierung zu einer wachstumsfreundlicheren Politik bewegen – und sich selbst als marktwirtschaftliches Korrektiv in der Koalition profilieren.

Angesichts der scharfen Kritik von SPD und Grünen an dem Wirtschaftswende-Plan forderte FDP-Parteichef Christian Lindner die Koalitionspartner zur Vorlage eigener Vorschläge auf. „Wir sind bereit zu diskutieren“, sagte Lindner. „Für eines aber sind wir nicht offen: dass sich gar nichts ändert.“ Eine Stärkung des Wachstums müsse auch im Interesse von SPD und Grünen sein: „Die Wirtschaftswende ist nicht ein Projekt der Freien Demokraten“, sagte Lindner. „Sie muss ein Projekt dieses Landes sein.“

Die Wirtschaft in Deutschland müsse wieder kräftiger wachsen, sagte Lindner – um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, um die wachsenden Kosten für Verteidigung und Sicherheit zu stemmen, um den Sozialstaat zu erhalten und um die Akzeptanz der Demokratie zu sichern.

Der FDP-Plan sieht unter anderem Steuersenkungen, Bürokratieabbau, eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, einen konsolidierten Staatshaushalt sowie Einschnitte beim Bürgergeld vor. Die abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte soll abgeschafft werden, ebenso die staatlichen Förderungen für erneuerbare Energien.

Der Katalog enthält auch ein dreijähriges Sozialstaatsmoratorium, bei dem keine neuen Sozialleistungen eingeführt werden sollen. Der Parteitag fügte noch einen Absatz hinzu, demzufolge die FDP dem Rentenpaket II des Bundessozialministeriums nur dann zustimmt, wenn weitere Maßnahmen zur Konsolidierung der Rentenkasse beschlossen werden.

Offene Kritik an den Koalitionspartnern vermied Lindner in seiner rund 70-minütigen Rede am Samstag. Sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki wurde deutlicher: Wenn in der „Ampel“ nicht über die Stärkung der Wirtschaft gesprochen werde, „gibt es auch keine Zukunft dieser Koalition“, sagte der Parteivize. FDP-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Vogel forderte, die „Ampel“ müsse bis zum Sommer einen gemeinsamen Gesetzentwurf für eine Wirtschaftswende vorlegen.

Generalsekretär Djir-Sarai betonte, dass die FDP mit dem Wirtschaftswende-Beschluss nicht einen Bruch der Koalition anstrebe. „Das ist kein Scheidungsantrag an die Koalition“, sagte er. „Dieser Leitantrag ist eine Liebeserklärung an Deutschland, an unser Land.“

Auch die Atomkraft war Thema des FDP-Parteitags. Mit knapper Mehrheit lehnten die Delegierten den Antrag dreier ostdeutscher Landesverbände auf den Wiedereinstieg in die Atomkraft ab. Die Kritiker verwiesen auf Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Atomkraftnutzung und die lange Dauer eines Baus neuer Kernkraftwerke.
© AFP

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