„Wir müssen erst mal abwarten, wie sich die Situation in Syrien entwickelt“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin. Die Union sprach sich etwa für Reisebeihilfen und ein Startgeld für freiwillige Ausreisen aus. Die FDP forderte baldige Gespräche mit der neuen Regierung in Damaskus.
Regierungssprecher Hebestreit sagte, eine Rückkehrdebatte sorge „eher für Verunsicherung in Deutschland bei den Flüchtlingen, die sich hier seit zum Teil sehr vielen Jahren aufhalten“. Mit Blick auf die Forderungen der Union sprach Hebestreit von „nachvollziehbarer Aufregung in Zeiten, in denen der Wahlkampf immer näher rückt“.
Zunächst müsse aber abgewartet werden, ob sich die Lage in Syrien stabilisiere, „bevor man jetzt den fünften Schritt vor dem zweiten macht“ und über die Frage diskutiere, ob syrische Schutzberechtigte in Deutschland in ihre Heimat zurückkehren müssten.
Aus der Unions-Bundestagsfraktion war zuvor die Forderung an die Bundesregierung nach einem Rückkehrplan für syrische Flüchtlinge gekommen. Es müsse Reisebeihilfe und Startgeld für freiwillige Ausreisen geben, sagte Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) der „Bild“. Ähnlich hatte sich zuvor schon der CDU-Politiker Jens Spahn geäußert. Er sprach sich für ein „Startgeld“ von 1000 Euro und Chartermaschinen nach Syrien aus.
FDP-Chef Christian Lindner nannte ein solches Startgeld „nicht seriös“. Er forderte am Dienstagabend bei RTL, „mit der neuen syrischen Führung zu schauen, ist das Land sicher und können wir ein Angebot machen“. Er regte an, deutsche Unterstützung beim Wiederaufbau „an eine Zusage der syrischen Führung, die eigenen Staatsangehörigen auch wieder aufzunehmen“, zu binden. Dies könne „auf gegenseitiges Interesse“ stoßen.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums kritisierte es als „schlicht unseriös, in einer so unklaren und instabilen Lage schon über konkrete Rückkehrmöglichkeiten zu sprechen“. Die Regierung habe die Entwicklung vor Ort in Syrien genau im Blick. „Aber jetzt Rückkehrmöglichkeiten im größeren Stil zu prüfen, dafür ist die Lage einfach zu instabil“, sagte der Sprecher.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) übte scharfe Kritik an den Rückkehrforderungen. Diese würden von Politikern aufgestellt, die „offensichtlich auch in vollkommener Unkenntnis 48 Stunden, nachdem sich alles verändert hat, bereits wissen, dass alle wieder zurückkehren können“, sagte sie in Berlin. Eine Rückkehr syrischer Geflohener nach Syrien müsse international eng abgestimmt werden – mit den Partnern in Europa, aber auch mit den Vereinten Nationen.
Kritik an der Debatte äußerte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD). Äußerungen von Politikern über „Rückführungen und Abschiebungen“ verunsicherten viele Syrerinnen und Syrer in Deutschland, sagte sie bei einer Pressekonferenz in Berlin. „Das halte ich für unglaublich unangemessen.“
Alabali-Radovan warnte auch vor der Rückkehr vieler syrischer Fachkräfte in ihre Heimat. So gebe es in Deutschland mehr als 5000 Medizinerinnen und Mediziner mit syrischer Staatsangehörigkeit. Wenn diese nicht mehr in Deutschland praktizierten, hätte das „dramatische Folge für unser Gesundheitssystem“, sagte sie.
Dass es aber überhaupt eine größere freiwillige Rückreisewelle nach Syrien geben wird, bezweifelt der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer jedoch mit Verweis auf Erfahrungen aus dem Jugoslawienkrieg. Schon nach Ende des Kriegs habe es kaum freiwillige Rückkehrer gegeben, sagte der Historiker der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Bis 1999 kehrten von den 350.000 Schutzsuchenden lediglich 17.000 an ihre ursprünglichen Wohnorte zurück.“
Nach dem Sturz Assads hatten Deutschland und mehrere andere europäische Länder ihre Asyl-Entscheidungen für Syrerinnen und Syrer vorerst auf Eis gelegt. Dies stieß in der Union auf Zustimmung. „Es gibt derzeit knapp 50.000 Asylverfahren, die offen sind bei Syrern. Die sollten nicht weiter bearbeitet werden“, sagte der CDU-Politiker Thorsten Frei am Mittwoch den Sendern RTL und ntv.
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