Angesichts des Erstarkens rechter Kräfte insbesondere in Ostdeutschland hat Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) vor der Gefahr politischer Instabilität gewarnt. „Wenn ich auf die aktuellen Umfragen blicke, machen mir insbesondere die Landtagswahlen im September 2024 in drei ostdeutschen Bundesländern Sorge“, sagte die SPD-Politikerin in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. „Es könnte dort tatsächlich schwer werden, überhaupt stabile Regierungen zu bilden.“
Es drohe ein „echtes Demokratieproblem“, sollte nach den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg keine mehrheitsfähige Koalitionsbildung möglich sein, warnte Bas. In diesen drei ostdeutschen Ländern liegt die AfD derzeit in Umfragen klar auf Platz ein, mit Werten von zum Teil mehr als 30 Prozent.
Bas rief die Parteien der Mitte zur Zusammenarbeit auf. Skeptisch bewertete sie die Option, Bundesländer mit Minderheitsregierung zu führen. „Eine Minderheitenregierung ist bereits herausfordernd, wenn es im Parlament nur konstruktive Fraktionen gibt“, sagte die Parlamentspräsidentin zu AFP. „Umso schwieriger wird es, wenn Kräfte dabei sind, die immer aktiv dagegen arbeiten – dann droht ein echtes Demokratieproblem.“
Die demokratischen Kräfte müssten sich gemeinsam bemühen, dies abzuwenden, sagte Bas in dem Interview. „Die Fähigkeit zum fraktionsübergreifenden Kompromiss zeichnet uns aus – und ich hoffe sehr, dass das so bleibt“, sagte die SPD-Politikerin. „Denn wenn wir keine Kompromisse mehr finden, wächst die Gefahr instabiler Regierungen.“
Bas warnte vor einer leichtfertigen Stimmabgabe für undemokratische Parteien. „Populisten sind in vielen Ländern auf dem Vormarsch, das beunruhigt mich – für unsere Demokratie als Ganzes“, sagte sie. „Da sind auch Kräfte dabei, die unsere Demokratie komplett abschaffen wollen. Das sollte jedem klar sein.“ ,Besorgt zeigte sich Bas auch über den Stand der Debattenkultur im Bundestag. „Es gibt eine Verrohung der Debatte, vor allem im Plenarsaal und in den sozialen Medien“, kritisierte die Parlamentspräsidentin. „Auch lautes höhnisches Gelächter ist kein Beitrag zu einer konstruktiven Debatte“, sagte sie in Anspielung auf einen Vorfall während der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag.
Die Rede des Kanzlers Ende November war zeitweise von lautem höhnischen Gelächter aus den Reihen der Abgeordneten übertönt worden. Dem offiziellen Sitzungsprotokoll der Bundestags-Stenografen zufolge kam das Gelächter vor allem aus der AfD-Fraktion, aber auch aus der CDU/CSU-Fraktion.
„Es darf im Parlament in der Sache hart gestritten werden, und es muss nicht bei jedem Thema Friede, Freude, Eierkuchen herrschen“, sagte Bas. „Klar, die Bürgerinnen und Bürger wollen keinen Einheitsbrei hören.“ Sie fügte aber eine Mahnung hinzu: „Wie wir hier im Haus debattieren und miteinander umgehen, spiegelt sich auch außerhalb dieses Gebäudes wider“, sagte sie. „Mir schreiben viele Bürger, die sagen: Ich gucke das nicht mehr, das ist ja schlimmer als im Kindergarten.“
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