Weiter Kritik an nicht abgestimmten Wirtschaftsgesprächen von Scholz und Lindner

Bundeskanzler Scholz und Finanzminister Lindner suchen weiter getrennt nach Lösungen für die Konjunkturkrise - und sorgen damit weiter für Kritik.

Die kam am Donnerstag vom dritten Koalitionspartner, den Grünen, während sich Sozialdemokraten und Liberale gegenseitig Vorwürfe machten. Wie trotz der unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Vorstellungen noch wie geplant im November ein gemeinsamer Haushalt für 2025 zu Stande kommen soll, bleibt unklar.

Nach den separaten Wirtschaftstreffen von Scholz und Lindner am Dienstag kündigten beide ungeachtet der Kritik an ihrem Vorgehen weiterer Runden ihrer Beratungen an. Zunächst soll am Montagmittag „ein weiteres Verbändegespräch“ mit Lindner und FDP-Fraktionschef Dürr stattfinden, wie ein Sprecher am Donnerstag mitteilte. Zu dem zweistündigen Termin sollen „nun weitere Branchenverbände der breiten Wirtschaft und des Mittelstandes eingeladen werden“.

Scholz hatte seinerseits bereits am Dienstagabend ein zweites Gespräch mit Industrie und Gewerkschaften im Kanzleramt angekündigt. Dieses soll am 15. November stattfinden. Außerdem sei „mindestens noch ein weiteres Treffen“ geplant, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit, „bevor man (…) innerhalb der Bundesregierung dann mit dem, was dort miteinander besprochen worden ist, umgeht“.

Während der Kanzler bei seinen Beratungen den Schwerpunkt auf die Industrie legt, ist bei den FDP-Gesprächen auch der Mittelstand im Fokus. Die Parallelveranstaltungen stießen auch in der Wirtschaft auf Kritik. Die Opposition sah sie als Zeichen für die Handlungsunfähigkeit der Ampel-Regierung.

Scharfe Kritik kommt auch aus der Ampel-Regierung selbst. Der Bewerber für den Grünen-Vorsitz, Felix Banaszak, sagte bei RTL und ntv am Donnerstag: „Mein Gefühl ist, dass auch die Teilnehmer dieser Gipfel sich am Ende fragen: Was soll denn der Quatsch, warum machen die nicht einfach ihre Arbeit.“

Banaszak mahnte die Bundesregierung, die im Sommer vereinbarte Wachstumsinitiative nun umzusetzen. Diese ermögliche niedrigere Energiepreise und erleichtere Investitionen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) arbeite an einer Umsetzung. „Ich kann unsere Koalitionspartner nur einladen, daran teilzuhaben“, sagte Banaszak.

SPD und FDP hielten sich gegenseitig vor, in ihren Beratungen falsche Schwerpunkte zu setzen. SPD-Chefin Saskia Esken kritisierte im Redaktionsnetzwerk Deutschland, bisher geplante Maßnahmen der Regierung seien „von zu wenig Mut geprägt, da der Finanzminister den ausgeglichenen Bundeshaushalt über alles stellt und nichts akzeptiert, was die Einnahmesituation des Staates verbessern könnte“.

Esken forderte, „das obere Prozent der Einkommen“ müsse stärker zur Verantwortung gezogen werden. „Das lehnt die FDP ab“, sagte die Parteichefin der SPD, die kürzlich Steuerpläne vorgelegt hatte, mit denen vor allem sehr Reiche stärker belastet würden.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Marcus Faber tadelte seinerseits den Kanzler für dessen Alleingang und sieht die Verantwortung für die erneut getrennten Gespräche bei ihm. Die vielen Aspekte der Wirtschafts- und Industriepolitik könnten gemeinsam beleuchtet werden, sagte Faber bei RTL und ntv.  Es sei wichtig, dass kleine und mittelständische Unternehmen nicht zu kurz kämen, sie seien „das Rückgrat der deutschen Wirtschaft“.

Die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB, Yasmin Fahimi, hofft beim nächsten „Industriegipfel“ im Kanzleramt auf einen Durchbruch. „Alle Teilnehmer sind daran interessiert, dass Deutschland wieder wettbewerbsfähiger wird und die Unternehmen Planungssicherheit bekommen“, sagte Fahimi, die bereits am ersten Gespräch mit Scholz teilnahm, der „Augsburger Allgemeinen“.

Doch selbst wenn beim Treffen am 15. November Ergebnisse erzielt würden, kämen sie wohl zu spät für die Haushaltsbereinigung im Bundestag. Die Sitzung ist derzeit für den Vortag, den 14. November, anberaumt.

Am 29. November soll der Haushalt dann im Bundestag beschlossen werden. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Helge Braun (CDU), sieht den Zeitplan angesichts bereits bestehender Finanzlücken ohnehin in Gefahr. Lindner müsse „jetzt sehr schnell darlegen, wie er die Milliardenlücken“ schließen wolle, sagte Braun der „Welt“. Sollte es größere Änderungen am Haushaltsentwurf geben, könnten die Beratungen nicht am 14. November abgeschlossen werden.
© AFP

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