Pistorius: Abhöraktion durch individuellen Anwendungsfehler ermöglicht

Das Abhören eines Online-Gesprächs von Bundeswehr-Offizieren ist nach bisherigen Erkenntnissen durch einen "individuellen Anwendungsfehler" ermöglicht worden.

Der Abhörfall bei einem Online-Gespräch hochrangiger Bundeswehroffiziere in Verbindung mit möglichen Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ist laut Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auf einen „individuellen Anwendungsfehler“ zurückzuführen. Es seien disziplinarische Vorermittlungen gegen alle an dem Gespräch beteiligten Personen eingeleitet worden, sagte Pistorius bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin. Spekulationen zur möglichen Einwahl eines russischen Spions in das Gespräch wies der Verteidigungsminister zurück.

Pistorius erläuterte, es sei nach den bisherigen Zwischenergebnissen der Ermittlungen in Singapur zu einem Datenabfluss gekommen. Dort habe sich ein Gesprächsteilnehmer nicht an Vorgaben für die sichere Einwahl gehalten.

Am Freitag war in russischen Onlinenetzwerken ein offenbar abgehörtes 38-minütiges Gespräch zwischen dem Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, und drei weiteren hochrangigen deutschen Offizieren zu Waffenlieferungen an die Ukraine veröffentlicht worden. Dabei wurde über Einzelheiten einer möglichen Lieferung und eines Einsatzes von Taurus-Marschflugkörpern im Ukraine-Krieg gesprochen.

Pistorius sagte, es seien disziplinarische Vorermittlungen gegen alle an dem Gespräch beteiligten Personen eingeleitet worden. Anhand dieser Ermittlungen werde dann entschieden, ob „ein Disziplinarverfahren durchgeführt wird oder nicht“. Es werde beispielsweise geprüft, ob es Punkte in dem Gespräch gab, die nicht über die genutzte Plattform Webex hätten erörtert werden dürfen.

Zum Zeitpunkt des Gesprächs fand in Singapur die Branchenmesse Singapore Airshow statt. In diesem Umfeld und den genutzten Hotels hätten „flächendeckend“ gezielte Abhöraktionen russischer Geheimdienste stattgefunden, sagte Pistorius. Der Zugriff auf das Gespräch der Bundeswehroffiziere sei wahrscheinlich ein „Zufallstreffer im Rahmen einer breit angelegten gestreuten Vorgehensweise“ gewesen.

Persönliche Konsequenzen stünden „derzeit nicht auf der Agenda“, stellte Pistorius klar. Es sei zwar ein „schwerer Fehler“ passiert, was „an Geheimhaltung dort erörtert wurde“ sei aber in seiner Wahrnehmung „überschaubar“. Sollte bei den Ermittlungen nicht  „Schlimmeres“ herauskommen, werde er keinen „meiner besten Offiziere Putins Spielen opfern“, sagte der Verteidigungsminister mit Verweis auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Dass sich ein russischer Spion oder eine andere unbefugte Person in die Online-Konferenz eingewählt hätte, könne er ausschließen, versicherte Pistorius. Diese Hypothese hatte unter anderem der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter am Wochenende aufgestellt.

Deutschland werde sich durch den „hybriden Angriff“ aus Russland nicht „aufscheuchen, nicht auseinandertreiben lassen“, bekräftigte Pistorius. Im Bezug auf die Diskussion um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern sagte Pistorius, die Abhöraktion sei kein Anlass, „jetzt etwas auszuschließen oder zu tun“, denn das „wäre genau das, was Putin will“.

Das Vertrauen in Deutschland sei trotz des Vorfalls ungebrochen, sagte Pistorius. „Alle wissen um die Gefahr solcher Abhörattacken“, betonte der Verteidigungsminister. Er hatte am Vortag Kolleginnen und Kollegen aus den Partnerländern über den Vorfall informiert. Dabei habe er „keinerlei Anzeichen“ wahrgenommen, „dass man uns in irgendeiner Weise misstraut und ich habe auch keine Verärgerung wahrgenommen“.

Pistorius begann im Anschluss an die Pressekonferenz eine mehrtägige Reise in die nordischen Länder. Neben einem Besuch des Nato-Manövers „Nordic Response“ in Norwegen wird der Verteidigungsminister auch seine Kollegen im neuen Nato-Mitgliedsland Finnland und dem designierten Mitglied Schweden treffen.
© AFP

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