Nach Wahlrechtsurteil: Streit um mögliche Gesetzesänderungen

Nach dem Wahlrechtsurteil des Bundesverfassungsgerichts sieht der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese keine Eile bei einer Gesetzesänderung.

Nach dem Wahlrechtsurteil des Verfassungsgerichts bleibt die Frage ungeklärt, ob es noch vor der Bundestagswahl zu einer Gesetzesänderung kommt. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese sagte am Mittwoch, er sehe keine Eile. Die von Karlsruhe verlangte Änderung beim Wahlrecht könne auch in der nächsten Legislaturperiode erfolgen. Die Union beharrte auf umfangreichen Korrekturen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition von 2023 am Dienstag als „überwiegend verfassungsgemäß“ eingestuft. Sie soll verhindern, dass die Zahl der Abgeordneten im Bundestag weiter stetig wächst und auf 630 begrenzt wird. Derzeit sind es 733.

Für unzulässig erklärte Karlsruhe aber die vorgesehene Abschaffung der sogenannten Grundmandatsklausel. Sie ermöglicht es auch Parteien, die an der Fünf-Prozent scheitern, nach dem Anteil ihrer Zweitstimmen in den Bundestag einzuziehen. Voraussetzung ist, dass die Parteien mindestens drei Direktmandate erzielen. ,Karlsruhe setzte mit der Entscheidung die Grundmandatsklausel wieder in Kraft. Damit gilt sie auch ohne weitere Gesetzesänderung bis auf Weiteres.

„Das Wahlrecht steht für die nächste Bundestagswahl“, sagte Wiese dazu im Deutschlandfunk. Karlsruhe habe dem Gesetzgeber Zeit gegeben, geforderte Änderungen per Gesetz erst in der nächsten Legislaturperiode umzusetzen. „Hier besteht keine Eilbedürftigkeit.“

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte am Dienstag der „Rheinischen Post“ gesagt, es sei offen, ob es vor der Bundestagswahl noch gesetzgeberische Schritte geben werde. Er verwies dabei auf laufende Abstimmungen innerhalb der Ampel-Koalition und bot auch der Union Gespräche an.

Wiese verwies darauf, dass die Karlsruher Richter mehrere Möglichkeiten genannt haben, um die Auswirkungen der Fünf-Prozent-Hürde abzumildern. Neben der Grundmandatsklausel gehöre dazu auch die Absenkung der Fünf-Prozent-Hürde sowie eine Listenverbindung zwischen CDU und CSU, die derzeit bei Wahlen in Deutschland als getrennte Parteien antreten. Deshalb muss die CSU bundesweit über die Fünf-Prozent-Hürde kommen, obwohl sie nur in Bayern wählbar ist.

Nicht moniert wurde von den Karlsruher Richterinnen und Richtern die sogenannte Zweitstimmendeckung. Demnach erhält eine Partei künftig nur so viele Direktmandate, wie durch ihren Zweitstimmenanteil gedeckt sind. Dies kann in Zukunft dazu führen, dass Direktkandidaten nicht in den Bundestag einziehen, obwohl sie in einem Wahlkreis gewonnen haben.

„Selbstverständlich muss der Sieger eines Wahlkreises sein gewonnenes Mandat auch im Deutschen Bundestag antreten können“, betonte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstagausgabe). „Alles andere würde das Vertrauen in unser Wahlsystem gefährden.“

„Direkt gewählte Abgeordnete gehören ins Parlament“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber der Zeitung. Dieser Punkt ist aus Sicht seiner Partei unverhandelbar, sollten sie in der kommenden Legislaturperiode Teil der Bundesregierung sein.

SPD-Chefin Saskia Esken kritisierte, dass CSU-Chef Markus Söder die Forderung nach Änderungen in diesem Bereich zur Bedingung für eine Koalition nach der Bundestagswahl gemacht habe. „Wenn Söder die nun erfolgreiche Reform der ‚Ampel‘ rückgängig machen will, nimmt er in Kauf, dass der Bundestag weiter auf über 800 Mandate anwächst“, sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Mittwoch.
© AFP

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