Nach Gefangenenaustausch: Debatte um Freilassung des Tiergarten-Mörders

Angehörige des durch ihn getöteten Georgiers zeigten sich enttäuscht über die Entscheidung der Bundesregierung.

Nach dem Gefangenenaustausch mit Russland wird über die Freilassung des Tiergarten-Mörders durch Deutschland diskutiert. Angehörige des durch ihn getöteten Georgiers zeigten sich enttäuscht über die Entscheidung der Bundesregierung. Justizminister Marco Buschmann (FDP) rechtfertigte die von ihm angeordnete Freilassung, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach von einem „Dilemma“.

Krasikow war Ende 2021 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er hatte nach Überzeugung des Berliner Kammergerichts im August 2019 einen Georgier im Kleinen Tiergarten der Hauptstadt erschossen. Die Tat erfolgte demnach im Auftrag staatlicher russischer Stellen. Der Kreml bestätigte am Freitag, dass Krasikow Agent des russischen Geheimdiensts FSB ist.

„Nicht einmal fünf Jahre nach dem Mord“ sei der von Kreml-Chef Wladimir Putin „beauftragte Mörder wieder auf freiem Fuß“, erklärten die in Deutschland lebenden Angehörigen des Mordopfers laut ihrer Anwältin. Sie sprachen von einer „niederschmetternden Nachricht“.

„Niemand hat sich die Entscheidung einfach gemacht, einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Mörder nur nach wenigen Jahren der Haft abzuschieben“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagabend über Krasikows Freilassung. Entscheidend sei für die Bundesregierung die „Schutzverpflichtung“ gegenüber den in Russland inhaftierten deutschen Staatsangehörigen gewesen sowie „die Solidarität mit den USA“. Washington hatte im Zuge des Gefangenenaustausches gleichfalls Staatsbürger freibekommen, darunter der Journalist Evan Gershkovich.

Russlands Präsident Putin hatte die Freilassung Krasikows schon vor Monaten gefordert. Er dürfte eine Schlüsselfigur gewesen sein, um den Gefangenenaustausch mit insgesamt 26 Beteiligten zu ermöglichen. Buschmann als zuständiger Minister wies dazu Generalbundesanwalt Jens Rommel an, Krasikow freizulassen.

Die Freilassung eines verurteilten Mörders sei „ein besonders bitteres Zugeständnis“, das er als Justizminister verantworte, erklärte Buschmann am Donnerstagabend. Er verwies dabei auf eine Abwägung zwischen dem Interesse an der Vollstreckung der Strafe und der Freilassung von insgesamt 16 Menschen, die in Russland und Belarus inhaftiert waren, darunter fünf Deutsche. Buschmann betonte: „Als Justizminister war dabei für mich ein Prinzip entscheidend: Im Zweifel für die Freiheit.“

„Es war ein hoher Preis, den Deutschland gezahlt hat“, sagte Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) der „Rheinischen Post“ (Samstagausgabe). Er freue sich aber „für all die Menschen, die quälende Monate, Jahre unrechtmäßig in russischer Haft waren“.

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich über die Freilassungen erleichtert. Es sei aber ein „hochsensibles Dilemma“, da Deutschland auch einen russischen „Auftragsmörder“ habe freilassen müssen. Die Entscheidung führe „zu Recht auch zu viel, viel Gesprächsbedarf“.

„Der Propagandaeffekt für Putin ist enorm“, sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt im ARD-„Morgenmagazin“. Der russische Präsident könnte nun jedem gedungenen Mörder praktisch sagen: „Ihr seht, ich hole euch raus“. Gleichzeitig sei die Freilassung der in Russland und Belarus Inhaftierung aber eine „positive Nachricht“.

Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter nannte die Freilassung von Krasikow bedenklich, der Gefangenenaustausch sei aber „von der menschlichen Seite her ganz klar eine gute Lösung“. Kiesewetter warf Russland im SWR vor, mit Blick auf als willkürlich kritisierte Verhaftungen westlicher Staatsbürger vor, es mache „Geiseldiplomatie zum Geschäftsmodell“.

Nicht zuletzt der tragische Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny im Februar in einem Straflager habe gezeigt, „dass die Leben von unschuldigen Menschen akut gefährdet waren“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), dem „Tagesspiegel“ (Samstagausgabe). „Kritik an diesem Deal ist legitim und geboten. Aber die Kritikerinnen und Kritiker sollten sich schon fragen, wie sie in einer solchen humanitären Frage entschieden hätten.“
© AFP

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