Ministerium weist Bericht über „Täuschungen“ bei Akw-Laufzeitverlängerung zurück

Das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) hat einen Bericht des Magazins "Cicero" zurückgewiesen, wonach "einflussreiche Netzwerke der Grünen die Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke ganz offenbar manipuliert" hätten.

Das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) hat einen Bericht des Magazins „Cicero“ zurückgewiesen, wonach „einflussreiche Netzwerke der Grünen die Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke ganz offenbar manipuliert“ hätten, um den „Ausstieg vom Ausstieg zu verhindern“. Die Darstellung des Magazins sei „verkürzt und ohne Kontext“, entsprechend seien die daraus gezogenen Schlüsse „nicht zutreffend“, teilte das Ministerium am Donnerstag mit. Die CDU erhob angesichts der Berichterstattung Vorwürfe gegen die Grünen; Kritik kam auch vom Koalitionspartner FDP.

„Cicero“ beruft sich auf Dokumente, die das Magazin auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung übermittelt bekommen habe; es handele sich um zwei „gut gefüllte Aktenordner“. Laut „Cicero“ fanden Fachleute im Bundeswirtschaftsministerium „kaum Gehör“, ihre Einschätzungen seien „ignoriert oder verfälscht“ worden.

Es geht um die Zeit nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar 2022. Damals waren in Deutschland noch drei Atomkraftwerke (Akw) am Netz, die eigentlich Ende 2022 abgeschaltet werden sollten. Als im Sommer die Gaslieferungen aus Russland zunächst gedrosselt und später dann gestoppt wurden, beschloss die Bundesregierung, die Laufzeiten der drei Akw bis Mitte April 2023 zu verlängern.

„Zu Nutzen, Chancen, Risiken, Hürden einer möglichen Verlängerung des Betriebs“ der Akw sei innerhalb des Ministeriums, zwischen Ressorts und mit den Kraftwerksbetreibern schon „frühzeitig eine breite, fundierte, offene und kritische Diskussion geführt und verschiedene Argumente gehört und gewogen“ worden, erklärte das Ministerium. „All diese Argumente sind in den Abwägungsprozess, die Meinungsbildung und die Ergebnisse eingeflossen.“

Dabei hätten Abwägungen und Entscheidungen auf den zum jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen sowie „in Anbetracht der realen, sich erst im Laufe der Monate verändernden und zuspitzenden Lage“ beruht. Ein von „Cicero“ genannter Vermerk vom 3. März etwa enthalte nur Einzelaspekte.

AFP vorliegende Unterlagen zeigen, dass die drei Akw-Betreiber EnBW, Eon und RWE sich Ende Februar/Anfang März klar gegen eine Laufzeitverlängerung aussprachen. Bedingung für einen Streckbetrieb – eine Verlängerung der Laufzeit über 2022 hinaus – wäre einer dieser Unterlagen zufolge eine Senkung oder Abschaltung der Stromproduktion im Sommer.

Ab Juni 2022 hätten die Akw-Betreiber diese Aussage aber geändert, wie es aus Ministeriumskreisen hieß; ein Streckbetrieb sei doch möglich. Die Ampelkoalition stritt heftig über diese Laufzeitverlängerung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entschied schließlich, dass die drei Akw noch bis 15. April 2023 laufen sollen.

Vor dem Hintergrund hoher Energiepreise in Deutschland gibt es seitdem immer wieder Forderungen aus der Wirtschaft, der FDP und der Union nach einer Rückkehr zur Atomkraft. Für CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zeigt die Berichterstattung „endgültig, dass die Grünen eine ideologisch getriebene Partei sind“, wie er der „Rheinischen Post“ sagte. Das Wohl ihrer Partei stehe für sie „über dem Wohl unseres Landes“, so sein Vorwurf.

Auch die FDP übt scharfe Kritik an den Grünen. Der technologiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Seiter, sagte dem „Tagesspiegel“, die berichteten Vorgänge im Wirtschaftsministerium stünden „klar im Widerspruch zu einem wissenschaftsbasierten Politikstil“. Die Hausleitung des Wirtschaftsministerium habe „offensichtlich die Kompetenz ihrer Fachleute ignoriert.“ Er erwarte von Habeck eine „zügige und transparente Aufklärung der Vorgänge.“

Der energiepolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Steffen Kotré, sprach von einem „Staatsskandal“ und fordert Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zum Rücktritt auf. Aus ideologischen Gründen sei mitten in der Energiekrise ein „parteipolitisches Projekt durchgezogen“ worden, „zum Schaden Deutschlands“, erklärte der AfD-Politiker.

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht brachte einen Untersuchungsausschusses ins Spiel. „So lange die Vorwürfe, dass der Sicherheit der Energieversorgung aktiv geschadet wurde, nicht ausgeräumt sind, darf auch ein Untersuchungsausschuss kein Tabu sein“, sagte Wagenknecht der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
© AFP

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