Er setze dabei auf ein gemeinsames Vorgehen „mit den Teilen der Koalition, die guten Willens sind“, sagte Merz am Dienstag in Berlin. Er brachte auch die Ausrufung eines „nationalen Notstands“ ins Gespräch, um EU-rechtliche Vorgaben außer Kraft zu setzen.
Merz hatte am Morgen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über Konsequenzen aus dem Messer-Anschlag von Solingen gesprochen. Das Gespräch war bereits länger geplant gewesen. Eigentlich hatte es um die Stationierung von US-Raketen in Deutschland gehen sollen, tatsächlich wurde laut Merz aber fast ausschließlich über Migration gesprochen.
Für ein parteiübergreifendes Vorgehen verwies der CDU-Chef auf die Mehrheit von Union und SPD im Bundestag. Er forderte Scholz auf, in der Migrationspolitik die Koalitionsdisziplin aufzugeben und Abstimmungen im Bundestag freizugeben. „Wenn wir uns zusammenraufen – Union und SPD – dann brauchen wir weder die FDP noch die Grünen, um entsprechende gesetzliche Änderungen zu vollziehen“, sagte der CDU-Chef. Zeitlich solle dazu in der sogenannten Haushaltswoche des Bundestages ab dem 9. September dafür Zeit freigeräumt werden.
Der SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese wies diesen Vorschlag von Merz umgehend zurück. „Die Aufforderung zum Koalitionsbruch ist doch eher den Wahlen am Sonntag geschuldet“, warf der SPD-Fraktionsvize in den Funke-Zeitungen Merz ein taktisch motiviertes Vorgehen vor. Zu einem parteiübergreifenden Vorgehen äußerte sich Wiese aber grundsätzlich positiv: „Dieses Land zeichnet sich in schwierigen Zeiten dadurch aus, dass die Regierung und die Opposition Parteigrenzen überwinden können“, sagte er.
Merz sagte zur Reaktion von Scholz in dem Gespräch: „Er hat spontan keine Zustimmung geäußert, aber sehr wohl zugesagt, dass er das bedenken will und mir kurzfristig eine Rückantwort geben will. Das ist aus meiner Sicht in Ordnung.“ Er gehe davon aus, dass der Bundeskanzler „dieses Angebot nicht ausschlagen“ werde. Konkret gehe es ihm um Änderungen des Aufenthaltsrechts und des Asylbewerberleistungsgesetzes, aber auch weiterer Vorschriften etwa im Polizeirecht.
Zudem sollten er und Scholz jeweils eine Person benennen, die zügig darüber sprechen sollten, was „wir im Bereich des bestehenden Rechts ändern können“, sagte Merz. Er würde für diese Aufgabe den Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), benennen. Eine Einbeziehung von Beauftragten auch von Grünen und FDP schloss er auch hier aus, da die Ampel-Partner sich untereinander nicht einig seien.
Merz forderte zudem, Asylsuchende bereits an den deutschen Grenzen zurückzuweisen. Aus seiner Sicht sei dies rechtlich möglich, weil die Betroffenen alle bereits ein sicheres Herkunftsland durchquert hätten, also nach den EU-Regeln „mindestens ein Land zu weit gereist“ seien. Sollte es aber doch Probleme mit dem EU-Recht geben, müsse dieses entweder geändert oder eine „nationale Notlage“ im Sinne der EU-Verträge erklärt werden. Darüber wolle er zeitnah mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprechen.
Vorrangig müsse erreicht werden, dass „dieser anhaltende illegale Zustrom von Migranten nach Deutschland signifikant kleiner wird“, hob Merz hervor. Als Grund nannte er, dass „die irreguläre Migration“ mittlerweile „das Zusammenleben unserer Bevölkerung in wesentlichen Teilen belastet“. Abschiebungen solle es auch nach Syrien und Afghanistan geben, bekräftigte Merz. Dafür müsse man auch „mit dem Teufel reden“, sagte er mit Blick auf die Machthaber dort.
Merz attestierte der Politik einen generellen Kontroll- und Vertrauensverlust. In dem Gespräch habe er Scholz „deutlich“ gesagt, „dem Bundeskanzler entgleitet mittlerweile das eigene Land, er verliert das Vertrauen“, sagte Merz. Dies sei „eine dramatische Entwicklung“.
Merz äußerte die Sorge, dass auch die Union von den Bürgerinnen und Bürgern „mitverantwortlich gemacht für eine solche Situation“. Der Parteichef fügte hinzu: „Ich habe nicht die Absicht, die CDU, die wir nun mühsam wieder aufgerichtet haben, in den Sog des Niedergangs dieser Bundesregierung hineinrauschen zu lassen.“
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