Grüne und FDP haben SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich für dessen Äußerungen zu einem möglichen Einfrieren des Kriegs in der Ukraine kritisiert. Die Rede sei ein „Rückfall in die alte Russlandpolitik der Sozialdemokratie“ gewesen, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Freitag dem Sender Welt. FDP-Chef Christian Lindner warf dem Koalitionspartner SPD vor, die Debatte um eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine für Wahlkampfmanöver zu missbrauchen. Mützenich selbst verteidigte sich gegen die Kritik.
Der SPD-Fraktionschef hatte am Donnerstag in der Bundestagsdebatte über den Taurus-Antrag der CDU/CSU auf die umfangreiche deutsche Unterstützung mit Militärgütern, humanitärer Hilfe und bei der Aufnahme von Flüchtlingen hingewiesen. Zugleich sagte er, es müsse damit umgegangen werden, dass viele Länder außerhalb Europas einen anderen Blick auf diesen Krieg hätten. Daher müsse die Frage gestellt werden, „wie wir diese Länder überzeugen können, uns in Europa stärker von dieser Kriegsfessel auch zu befreien“.
Mützenich fuhr fort mit einer Frage, die nach seinen Worten manchmal im Bundestag als „Schandfleck“ bezeichnet werde. Er sagte wörtlich: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“ Gehe es „nicht auch politisch um diese Fragen?“
Die Frage nach dem Einfrieren rief Kritik aus der Opposition, aber auch aus Reihen der Koalition hervor. „Es ist klar, dass ein Einfrieren dieses Konfliktes am Ende zu unfassbarem Leid der vielen Menschen in diesen besetzten Territorien führen würde“, sagte Grünen-Chefin Lang. Grünen-Außenpolitiker Anton Hofreiter nannte Mützenichs Vorschlag im Sender Welt eine Ermutigung Putins, „den Krieg noch weiter zu eskalieren“. Dies und schade dem Ansehen Deutschlands in der Welt.
FDP-Chef Lindner betonte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Fragen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Existenz der Demokratie in der Ukraine dürfen nicht zum Gegenstand von Vorwahlkampf werden, wie es der Vorsitzende der SPD-Fraktion versucht hat.“
Lindners Parteikollegin, Europa-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dringt auf eine rasche Erklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der SPD selbst. „Wenn Rolf Mützenich, der als Vorsitzender ja für die gesamte SPD-Fraktion spricht, ernsthaft ein Einfrieren des Ukraine-Kriegs fordert, rückt die Kanzlerpartei SPD offenkundig von der vereinbarten Zeitenwende ab“, sagte Strack-Zimmermann dem Magazin „Stern“.
Mützenich selbst wies die Kritik an seinen Äußerungen zurück. Er habe sich in seiner Rede „klar für die Unterstützung der Ukraine, auch mit Waffen und Munition, ausgesprochen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstagsausgabe). Darüber hinaus habe er, wie viele vor ihm, „angeregt, nicht nur über Militärhilfen, sondern auch über die Bedingungen für ein mögliches Kriegsende nachzudenken“. Mützenich betonte, er rede „keinesfalls einer Preisgabe der völkerrechtswidrig besetzten Gebiete im Osten der Ukraine und der Krim das Wort“.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte auf die Frage nach einer Einschätzung der Mützenich-Rede im Bundestag, Äußerungen aus dem parlamentarischen Raum würden von Regierungsseite nicht bewertet. Er betonte zugleich, Deutschland unterstütze die Ukraine „bei der Verteidigung gegen den russischen Aggressor mit allem, was wir verantworten können“. Hebestreit fügte hinzu: „Das steht.“
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter glaubt, dass die Äußerung Mützenichs mit dem Kanzleramt abgesprochen war. Der Vorstoß sei ein „Versuchsballon“ gewesen, der die Positionierung der SPD insgesamt aufzeige, sagte Kiesewetter dem Sender Welt. Die Idee des Einfrierens zeige, „dass die SPD nach wie vor eine Russlandromantik hat, die uns in Deutschland jetzt furchtbar einholt“, so Kiesewetter.
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