Vor dem zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine gibt es neuen Ärger in der Koalition um die Waffenlieferungen an Kiew: Die prominente FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann lobte am Dienstag zwar einen gemeinsamen Bundestagsantrag der Ampel-Parteien, der die Lieferung von „weitreichenden Waffensystemen“ fordert. Da er aber von der Ukraine erbetene Taurus-Marschflugkörper nicht nennt, will die FDP-Politikerin „auch“ für einen Unionsantrag stimmen, der deren Lieferung verlangt.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses wirbt schon seit Monaten für die Abgabe der Taurus-Marschflugkörper aus Bundeswehr-Beständen. Eine ausdrückliche Nennung von Taurus in dem Koalitionsantrag sei aber „an der SPD-Fraktionsspitze und der Starrköpfigkeit des Kanzleramtes“ gescheitert, erklärte Strack-Zimmermann. Daran habe auch der eindringliche Auftritt von Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der Münchner Sicherheitskonferenz nichts geändert. Selenskyj hatte dabei von einer „extrem schwierigen“ Lage seines Landes berichtet und ausbleibende Waffen- und Munitionslieferungen der westlichen Verbündeten beklagt.
„Ich persönlich werde daher diese Woche auch für den Antrag der Unionsfraktion zur Zeitenwende im Plenum stimmen, der die explizite Forderung des Taurus beinhaltet“, kündigte Strack-Zimmermann in einer Erklärung an, über die zunächst die „Bild“-Zeitung berichtet hatte und die AFP vorliegt. Sie appellierte zudem „weiter an jeden Einzelnen, sich für die Lieferung von Taurus einzusetzen.“
Mit Blick auf den Ampel-Antrag lobte Strack-Zimmermann ausdrücklich, dass dieser trotz Widerstands aus der SPD nun „auch das Eingeständnis des eigenen Fehlverhaltens“ gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin enthalte. „Gleiches gilt für die Forderung nach einer Befreiung der Gebiete inklusive der Krim. Denn klar ist: Die Ukraine muss gewinnen, die territoriale Integrität der Ukraine muss erhalten bleiben.“
Sowohl der Unionsantrag, als auch der gemeinsame Antrag von SPD, Grünen und FDP sollen noch in dieser Woche im Bundestag zur Abstimmung stehen. Die Ampel-Fraktionen fordern die Regierung in ihrem Entwurf zur Lieferung von „zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition“ auf. Sie sollen der Ukraine „völkerrechtskonforme, gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors“ ermöglichen. Strack-Zimmermann betonte, dass mit den Waffensystemen „für uns Freie Demokraten nur Taurus-Marschflugkörper gemeint sein“ könnten.
Aus Strack-Zimmermanns Umfeld hieß es, es sei aber noch offen, ob die FDP-Politikerin auch für den Ampel-Antrag stimmt oder sich enthält. FDP-Fraktionschef Christian Dürr ging davon aus, dass Strack-Zimmermann nun für beide Anträge stimmen wird: „Ich habe Marie-Agnes Strack-Zimmermann so verstanden, dass sie den gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen ebenfalls unterstützt.“ Bei der Frage, welche konkreten Systeme geliefert werden sollten, gebe es einen „Dissenz“ zwischen den Ampel-Fraktionen. „Das muss man offen ansprechen“, so Dürr.
Unverständnis für Strack-Zimmermanns Vorgehen zeigte die grüne Ko-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge: Es sei „eine Frage von Professionalität“, sich hinter ein in der Koalition gemeinsam ausgehandeltes Ergebnis zu stellen, sagte sie. Anderes Verhalten mache „Verhandlungserfolge schwächer“.
Der Unionsantrag, für den Strack-Zimmermann nun auch stimmen will, verlangt nach AFP-Informationen die „unverzügliche Lieferung“ von „verfügbaren Waffensystemen (u.a. Taurus) sowie Munitionssorten im Kampf gegen Russland“. In dem Antrag mit dem Titel „Für eine echte Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“ wird unter anderem auch eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland gefordert.
Am Samstag jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine zum zweiten Mal. Kanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper bisher ab. Diese haben eine hohe Zerstörungskraft und könnten mit ihrer Reichweite von mehr als 500 Kilometern auch Ziele auf russischem Staatsgebiet erreichen. SPD-Politiker haben immer wieder vor einer Eskalation des Krieges gewarnt, wenn die Waffen geliefert würden.
© AFP