Deutschland schiebt erstmals seit drei Jahren Straftäter nach Afghanistan ab

Deutschland hat erstmals seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan vor drei Jahren wieder Menschen in das Land abgeschoben.

28 afghanische Staatsangehörige, alle wegen schwerer Straftaten verurteilt, wurden am Freitag in ihr Heimatland zurückgeflogen. Die FDP forderte bereits weitere Abschiebungen nach Afghanistan, die Bundesregierung will sich jedoch noch nicht festlegen. Scharfe Kritik äußerte Amnesty International.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit zufolge handelte es sich bei den 28 Afghanen um Straftäter, „die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen“. Sie waren zum Teil in der Nacht aus verschiedenen Bundesländern zum Flughafen Leipzig gebracht worden. Dort startete am Morgen um 7.00 Uhr eine Charter-Maschine von Qatar Airways nach Afghanistan. Organisiert worden war die Aktion federführend vom Bundesinnenministerium.

Vor dem Flug erhielt jeder der Abgeschobenen 1000 Euro Handgeld. Zu den rechtlichen Grundlagen für das Handgeld wollte sich ein Sprecher des Bundesinnenministeriums nicht äußern – er verwies stattdessen auf die Bundesländer.

Deutsches Sicherheitspersonal war laut Hebestreit nicht an Bord. „Für die Sicherheit an Bord und für eine sichere Überführung“ sorgten demnach „die regionalen Schlüsselmächte“, die die Bundesregierung bei der Aktion unterstützen.

Dem Regierungssprecher zufolge hatte die Bundesregierung nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim Ende Mai – durch einen aus Afghanistan stammenden Mann – begonnen, an Abschiebungen in das Land zu arbeiten. Diese hatte es seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 von Deutschland aus nicht mehr gegeben.

Hebestreit sprach von „intensiven Bemühungen“, unterstützt hätten dabei Länder aus der Region – „regionale Schlüsselmächte“. Einzelne Länder wollte der Regierungssprecher aber nicht nennen. Direkte Kontakte der Bundesregierung mit der afghanischen Regierung habe es aber nicht gegeben, betonte er.

Der Grünen-Innenexpertin Lamya Kaddor zufolge spielte bei der Organisation des Abschiebeflugs das Emirat Katar eine zentrale Rolle. Kaddor schrieb im Onlinedienst X, die „kriminellen Afghanen“ seien „unter Mithilfe des Emirats Katar“ nach Afghanistan abgeschoben worden.

„Katar wird das alles nicht aus Nächstenliebe für uns tun“, schrieb Kaddor. Wenn Deutschland wie von Kanzler Olaf Scholz (SPD) schon im vergangenen Jahr angekündigt „im großen Stil“ nach Afghanistan abschieben wolle, bedürfe es jedoch direkter Verhandlungen und die Anerkennung der dort herrschenden radikalislamischen Taliban.

Der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae sieht in dem Flug „ein eindeutiges Signal: Wer als Ausländer in Deutschland schwere Straftaten begeht und unsere innere Sicherheit gefährdet, der muss unser Land verlassen“. Der Flug dürfe „jetzt keine einmalige Aktion sein“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien, müssten „jetzt konsequent erfolgen“.

Zögerlicher zu einer Wiederholung der Abschiebeaktion nach Afghanistan äußerte sich Regierungssprecher Hebestreit. „Inwieweit so etwas häufiger passieren kann“, müsse sich zeigen, sagte er. Wichtig sei, dass jetzt ein Signal gesetzt wurde – „an mögliche Straftäter oder Menschen, die Straftaten planen, hier in diesem Land“.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Donnerstag angekündigt, dass Deutschland „sehr bald“ Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan umsetzen werde. Ein „großes Rückführungs- und Abschiebepaket“ sei schon vor dem tödlichen Anschlag von Solingen „auf den Weg gesetzt“ worden.

Bei einem Messerangriff auf einem Stadtfest in Solingen waren vor einer Woche drei Menschen getötet und acht weitere teils schwer verletzt worden. Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, wurde am Samstag festgenommen. Die Bundesanwaltschaft geht von einer Tat mit islamistischem Hintergrund aus. Der Fall löste unter anderem eine Debatte über Abschiebungen und mögliche Versäumnisse der Behörden aus.

Scharfe Kritik an dem Abschiebeflug äußerte die Menschenrechtsgruppe Amnesty International Deutschland: In Afghanistan sei niemand sicher, „außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Folter sind an der Tagesordnung“, erklärte Generalsekretärin Julia Duchrow. Die Bundesregierung will laut Hebestreit jedoch „Vorkehrungen“ für die Sicherheit der Afghanen getroffen haben.
© AFP

xity.de
Nach oben scrollen
Cookie Consent mit Real Cookie Banner