„Es ist richtig und gut, dass wir die Mittel des Rechts nutzen, um unsere Demokratie zu schützen“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Donnerstag in der ersten Plenardebatte zu dem Vorhaben. Auch die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz sah Handlungsbedarf: „Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung steht unter Druck.“ Kritik äußerte die AfD: Sie erklärte das Vorhaben für unnötig.
Um möglicher Einflussnahme von demokratiefeindlichen Bestrebungen vorzubeugen, planen die Ampel-Fraktionen gemeinsam mit der Union, bestimmte Strukturen des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz zu verankern. Dazu gehören der Status des Gerichts, die Aufteilung in zwei Senate, die Zahl der Richterinnen und Richter sowie die maximale Amtszeit von zwölf Jahren und die Altersgrenze von 68 Jahren.
Hintergrund sind das Erstarken der AfD sowie Erfahrungen im Ausland, etwa in Polen und Ungarn. Für die Grundgesetz-Änderung ist im Bundestag eine Zweidrittel-Mehrheit nötig.
„Wir schützen das Bundesverfassungsgericht nicht nur vor dem theoretischen Fall, dass einfache Mehrheiten es angreifen wollen, wir legen auch einen Mechanismus vor, der es vor destruktiven Sperrminoritäten schützt“, sagte Buschmann. Die Verankerung im Grundgesetz sei Ausdruck von „unserem Respekt und unserem Dank vor dem großen Erfolg, den das Bundesverfassungsgericht darstellt“. Das Gericht sei die „Hüterin der Verfassung“ und „der Schutzschild der Grundrechte“ in Deutschland.
Die CSU-Abgeordnete Lindholz betonte, das Gericht erhalte mit der Grundgesetzänderung „die gleiche stabile Position in unserer Verfassung, die auch andere Verfassungsorgane haben“. Der Status des Gerichts, „den wir heute kennen und bewahren wollen“, sei „keine Selbstverständlichkeit“, warnte Lindholz mit Blick auf stärker werdende Parteien an den politischen Rändern und Erfahrungen im europäischen Ausland.
Auch der Grünen-Politiker Till Steffen erinnerte an Vorgänge in Polen, wo innerhalb von zwei Wochen das Verfassungsgericht mit einem neuen Gesetz „auf Linie gebracht“ worden sei. „Was in Polen geschah, wäre auch bei uns einfach gesetzlich möglich“, warnte Steffen. Das geplante Gesetz zeige daher: „Demokraten sind wehrhaft, wir Demokraten sind nicht doof.“
Der SPD-Politiker Dirk Wiese sagte, das Gesetz mache das Gericht „wetterfest“ und „abwehrbereiter“. Auch die Vorgänge im neu gewählten thüringischen Landtag hätten vor Augen geführt: „Antidemokraten gehen zuerst an die Institutionen.“ Die AfD hatte bei der Landtagskonstituierung in Erfurt für einen Eklat gesorgt, weil sie unter anderem Anträge anderer Parteien blockierte.
Die AfD erklärte das geplante Gesetz im Bundestag für überflüssig. Dieses sei ein „purer Ellenbogenreflex“ der anderen Parteien, sagte der Abgeordnete Tobias Matthias Peterka im Plenum. „Das Bundesverfassungsgericht funktionierte jahrzehntelang einwandfrei und verfeinerte unsere Rechtsordnung“, sagte Peterka weiter. „Unsere Verfassung funktioniert, wenn man sie in Ruhe wirken lässt. Wer aber Oppositionsrechte beschneiden will, der versündigt sich an ihr.“
Der zweite Entwurf von „Ampel“ und Union sieht die Einführung eines Ersatzmechanismus für den Fall einer Blockade bei der Richterwahl vor. Bislang werden die Mitglieder des Verfassungsgerichts je zur Hälfte durch Bundestag und Bundesrat bestimmt. Die gesetzliche Neuregelung sieht vor, dass das jeweils andere Wahlorgan die Wahl übernehmen kann, wenn das eigentlich zuständige Wahlorgan innerhalb von drei Monaten keine neue Richterin oder keinen neuen Richter gewählt hat.
Buschmann dämpfte allerdings auch die Erwartungen an die geplanten Neuregelungen. „Es wäre naiv zu glauben, man könnte durch zusätzliche Regeln dafür sorgen, dass das Land ohne Schaden bliebe, sollten eines Tages Extremisten die Mehrheit in den Parlamenten übernehmen“, sagte der FDP-Politiker den Funke-Zeitungen.
Der Deutsche Richterbund befürwortet die Pläne, fordert aber weitergehende Maßnahmen. „Auch der Bundesrat sollte künftig Gesetzesänderungen, die die Arbeitsweise des Bundesverfassungsgerichts betreffen, zustimmen müssen“, erklärte Geschäftsführer Sven Rebehn. Auch die „aus der Zeit gefallene politische Weisungsbefugnis der Justizminister für konkrete staatsanwaltschaftliche Ermittlungen“ müsse gestrichen „oder zumindest auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle“ beschränkt werden.
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