Vor dem zweiten Jahrestag des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat der Bundestag die Forderung der Union nach einer Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern abgelehnt. Ein entsprechender Antrag scheiterte am Donnerstag klar. Allerdings stimmte aus der Ampel-Koalition die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wie angekündigt dafür. Angenommen wurde schließlich ein Antrag der Regierungsparteien, der ohne Nennung von Taurus die Lieferung weitreichender Waffensysteme fordert.
„Die Ukraine erhält weiterhin nicht in vollem Umfang das Material, das sie dringend benötigt, um den russischen Angriffskrieg wirksam abzuwehren“, sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU). Er forderte auch Abgeordnete der Koalition auf, sich dem Unionsantrag anzuschließen und „die Bundesregierung aufzufordern, der Ukraine endlich den Marschflugkörper Taurus zu liefern“.
In namentlicher Abstimmung stimmten am Donnerstag dann 181 Abgeordnete für den Unionsantrag mit dem Titel „Für eine echte Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“. 480 Volksvertreterinnen und -vertreter votierten dagegen, fünf enthielten sich.
Strack-Zimmermann blieb die einzige Abgeordnete aus dem Ampel-Lager, die für den Unionsantrag stimmte. Bei der Union stimmte der Abgeordnete Jens Koeppen gegen den eigenen Antrag, der ehemalige CDU-Generalsekretär Mario Czaja enthielt sich. Bei der AfD gab es eine Ja-Stimme und zwei Enthaltungen, sonst Nein-Stimmen, bei Linkspartei und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) stimmten die teilnehmenden Abgeordneten geschlossen gegen die Vorlage der Union.
Strack-Zimmermann erläuterte nach der Abstimmung im Plenum, sie habe dem Unionsantrag zugestimmt – „ausschließlich, weil das System des Taurus unmissverständlich genannt worden ist“. Es treibe sie um, ob Deutschland alles tue, um die Ukraine zu unterstützen. Sie wolle sich nicht eines Tages vorwerfen lassen, „im richtigen Augenblick nicht das Richtige getan zu haben“.
Der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter kritisierte seine FDP-Kollegin für die Abstimmung mit der Union: Damit sei die in der Ampel-Koalition ausgearbeitete Position „abgeschwächt“ worden, sagte er dem Sender Welt TV. Er könne aber „den Frust verstehen“. Hofreiter wirbt selbst seit Monaten für die Taurus-Lieferung.
In einem später mit 382 zu 284 Stimmen angenommenen Antrag der Ampel-Parteien wird die Bundesregierung zwar zur Lieferung von „zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen“ aufgerufen – Taurus-Marschflugkörper werden allerdings nicht genannt. ,Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Teile der Sozialdemokraten lehnen deren Lieferung bisher ab. Sie verweisen auf eine Eskalationsgefahr durch das Waffensystem, das mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern auch Ziele auf russischem Staatsgebiet treffen könnte.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte sich in der Debatte nicht ausdrücklich zu Taurus. Deutschland müsse aber alles daran setzen, sich der Bedrohung durch Russland „mit aller Kraft entgegenzustellen“ und die Ukraine militärisch weiter zu unterstützen. Denn Russland unter Präsident Wladimir Putin werde „auf absehbare Zeit die größte Sicherheitsbedrohung“ bleiben.
Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger räumte ein, dass auch sie wie ihre Fraktion insgesamt für die Taurus-Lieferung wäre. Es sei bei dem Ampel-Antrag aber um einen „Konsens in den Koalitionsfraktionen“ gegangen. In vielen Bereichen sei der Antrag zudem „ein großer Fortschritt“.
Der AfD-Politiker Alexander Gauland warf der Bundesregierung in der Debatte vor, keine Lösung im Ukraine-Krieg auf dem Verhandlungsweg anzustreben. So sei es ein Fehler gewesen, russische Vertreter von der Münchner Sicherheitskonferenz in der vergangenen Woche ausgeschlossen zu haben.
Auch der Linken-Abgeordnete Gregor Gysi forderte eine friedliche Konfliktlösung: „Was wir wirklich benötigen, ist eine Zeitenwende in Richtung von deutlich mehr Diplomatie“, sagte er. Die Abgeordnete Sevim Dagdelen vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) warf der Union einen „Überbietungswettbewerb“ mit der Bundesregierung vor. CDU und CSU wollten „die Schwelle zur direkten Kriegsbeteiligung Deutschlands überschreiten“, sagte sie.
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