Zur Eindämmung von irregulärer Migration und Sozialbetrug will die Bundesregierung Missbrauch durch die Anerkennung von Vaterschaften unterbinden. Die Bundesministerien für Justiz und Inneres legten dazu am Dienstag einen gemeinsamen Gesetzentwurf für ein verschärftes Prüfverfahren vor. Schon bei einem theoretisch möglichen Missbrauch soll die Anerkennung eines Kindes demnach künftig nicht mehr ohne Zustimmung der Ausländerbehörden erfolgen können.
„Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen sind ein Einfallstor für irreguläre Migration, für illegale Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zu dem Vorhaben, das noch vor der Sommerpause vom Kabinett beschlossen werden soll. „Der Trick mit den falschen Vätern kostet unsere Sozialkassen jedes Jahr horrende Summen.“
„Wir schieben Täuschungen und Rechtsmissbrauch, um an ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu kommen, einen deutlichen Riegel vor“, erklärte Innenministerin Nancy Faeser (SPD). „Scheinvaterschaften gehen immer auch zulasten der betroffenen Kinder“. Derartiger Rechtsmissbrauch solle künftig „leichter vor der Anerkennung aufgedeckt und klar sanktioniert“ werden.
Bei den Scheinvaterschaften gehe „ausschließlich darum, dass jemand, der darauf eigentlich keinen Anspruch hat, ein Aufenthaltsrecht bekommt“, hieß es aus den Ministerien. Denn durch die Anerkennung erwerbe das Kind vom Vater die deutsche Staatsbürgerschaft. Oft fließe hier „im Gegenzug Geld“.
Die Anerkennung hat dabei oft nicht nur Folgen für den Status des Kindes. Auch die Mutter und gegebenenfalls auch Geschwister können dadurch ein Aufenthaltsrecht und Anspruch auf Sozialleistungen in Deutschland bekommen.
Den Ministerien zufolge haben die Ausländerbehörden zwischen Januar 2018 und Dezember 2021 1769 mögliche Missbrauchsfälle bearbeitet. Rund 290 davon wurden dann als missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung bewertet. Weitere 1800 Fälle wurden in den deutschen Auslandsvertretungen geprüft. Beide Ministerien gehen insgesamt von einer hohen Dunkelziffer bei Schein-Vaterschaften aus.
Schon bisher kann das Anerkennungsverfahren ausgesetzt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch vorliegen. Solche Fälle würden bisher aber oft nicht rechtzeitig erkannt, heißt es aus den Ministerien. Denn derzeit liege die Hauptlast für das Erkennen von Missbrauchsgefahr bei der Stelle, die die Vaterschaftsanerkennung beurkundet, also bei Jugendämtern oder Notaren. Für diese seien missbrauchsrelevante Informationen nur schwer ermittelbar. ,Deshalb würden Missbrauchsfälle oft erst zu spät erkannt, heißt es. Eine nachträgliche Korrektur einer anerkannten Vaterschaft sei dann nicht mehr möglich.
Künftig soll nun das Standesamt festlegen, ob ein möglicher Prüffall für die Ausländerbehörden vorliegt. Dies wäre automatisch der Fall, wenn Vater und Mutter einen unterschiedlichen Aufenthaltsstatus haben – etwa in einem Fall die deutsche Staatsbürgerschaft und im anderen nur ein Touristenvisum.
„Immer dann, wenn auch nur die abstrakte Möglichkeit besteht, dass eine Vaterschaftsanerkennung missbräuchlich ist, muss die Ausländerbehörde der Anerkennung der Vaterschaft zustimmen“, fasste Buschmann zusammen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Behörden mit dieser Lösung nach mehreren gescheiterten Reformversuchen „der Praxis missbräuchlicher Scheinvaterschaften das Handwerk legen können“.
Zugleich solle aber das Verfahren bei leiblichen und sozialen Vaterschaften nicht unnötig verzögert werden, betonte Faeser. Weisen beispielsweise die Beteiligten nach, dass der Mann der leibliche Vater ist, soll kein Prüffall vorliegen. Kein Missbrauch soll im Regelfall auch dann angenommen werden, wenn der die Anerkennung beantragende Mann seit mindestens sechs Monaten in einem gemeinsamen Haushalt mit der Mutter lebt, diese nach der Geburt geheiratet hat oder regelmäßigen Umgang mit dem Kind hat. Bei Ehepaaren zum Zeitpunkt der Geburt ist generell keine Vaterschaftsanerkennung erforderlich.
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