Die Ampel-Parteien und die Union wollen das Bundesverfassungsgericht durch Grundgesetzänderungen besser vor politischer Einflussnahme schützen. SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU präsentierten dazu am Dienstag gemeinsame Vorschläge. „Das Bundesverfassungsgericht ist Schutzschild der Grundrechte“, erklärte Justizminister Marco Buschmann (FDP) bei der Vorstellung. „Aber sein eigener Schutzschild braucht noch mehr Widerstandskraft.“
Laut Buschmann sollen „wesentliche Strukturmerkmale“ des Gerichts im Grundgesetz verankert werden. Dazu gehören unter anderem der Status des Gerichts, die Aufteilung in zwei Senate und die Zahl von 16 Richterinnen und Richtern. Ebenfalls festgeschrieben werden soll, dass die Richter höchstens zwölf Jahre und bis zu einer Altersgrenze von 68 Jahren im Amt sein können.
Diese Strukturen sind bislang nicht im Grundgesetz verankert. Sie können deshalb mit einer einfachen Mehrheit im Bundestag geändert werden. Sind sie hingegen Teil des Grundgesetzes, ist dies nicht mehr so einfach möglich: Für Grundgesetzänderungen ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und anschließend auch im Bundesrat notwendig.
Bereits im Grundgesetz festgelegt ist, dass die Richterinnen und Richter je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt werden – und zwar jeweils mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Eine politische Kraft, die zum Beispiel im Bundestag mehr als ein Drittel der Sitze hätte, könnte jedoch die Wahl der einen Hälfte blockieren.
Solch eine „nicht vollkommen fernliegende Bedrohung“, wie der Grünen-Politiker Konstantin von Notz bei der Vorstellung sagte, wollen die Ampel-Parteien und die Union abwenden. In das Grundgesetz eingefügt werden soll deshalb eine sogenannte Öffnungsklausel: Wenn es eines der Parlamente nicht schafft, eine vakante Richterstelle rechtzeitig neu zu besetzen, könnte dann das jeweils andere das Wahlrecht ausüben. Das Gericht werde dadurch „immer entscheidungsfähig und handlungsfähig“ sein, betonte der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner.
Buschmann und Fachpolitiker der Ampel-Parteien hatten monatelang mit Unionsvertretern über die Änderungen verhandelt. Hintergrund sind Entwicklungen einer Aushöhlung des Rechtsstaats in anderen Ländern wie Polen oder Ungarn und das Erstarken der AfD, die der Verfassungsschutz in Teilen als gesichert rechtsextremistisch einstuft.
Es seien alle Vorschläge, die auf dem Tisch lagen, geprüft worden, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU). Die geführten Gespräche dazu bezeichnete sie als „gut“ und „konstruktiv“. Ihr Unionskollege Ansgar Heveling, (CDU) sprach von einem „guten Tag für unser Grundgesetz“.
Ein Gesetzentwurf soll demnach „zeitnah“ eingebracht werden. Ein Inkrafttreten der Änderungen ist noch in dieser Legislaturperiode geplant. Mehrere der Fachpolitiker betonten am Dienstag, dass das Vorhaben auch „eine Signalwirkung“ für die Länder haben können, ihre Landesverfassungen entsprechend zu ändern.
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