Krefeld – „Krefeld gewährt einen völlig anderen Anblick als die meisten Städte Deutschlands. Durchgehendst sieht man großen Wohlstand herrschen und bemerkt im ersten Augenblick, daß die Quelle dieses Wohlstandes Arbeitsamkeit und Kunstfleiß ist“, schildert in seinen Reiseberichten Wilhelm von Humboldt (1767-1835), der Juli 1789 die Familie von der Leyen besucht. „Die ganze Stadt nährt sich von Fabriken und Handwerken. Der Ort soll siebentausend Einwohner haben. Die vorzüglichsten Fabriken sind die der von der Leyen“, so der preußische Gelehrte. Dieser Blütezeit Krefelds widmet sich die Ausstellung „Prestigesache – Bürgerlicher Kleiderluxus im 18. Jahrhundert“ ab Sonntag, 5. November 2023. Das Deutsche Textilmuseum feiert anlässlich des 650. Stadtjubiläums die textile DNA der Samt- und Seidenstadt mit einer prächtigen Schau. Rund 100 Objekte, die fast ausschließlich aus dem eigenen Bestand stammen, haben die Kuratorinnen Dr. Isa Fleischmann-Heck und Dr. Anja Kregeloh assistiert von Silke Büchel zu einer faszinierenden Kollektion zusammengestellt.
Krefeld als Samt- und Seidenstadt
Die Erfolgsgeschichte der Seidenbarone beginnt bereits im 17. Jahrhundert mit einer Flucht aus dem Bergischen Land. Der Herzog Jülich-Berg forderte die Mennoniten in seinem Herrschaftsbereich auf, sein Land zu verlassen. Einer von ihnen war Adolf von der Leyen. Als er 1656 nach Krefeld übersiedelte, brachte er den Handel mit Seidenwaren und die Kenntnis deren Herstellung mit. Zusammen mit seinen Söhnen agierte er als Kaufmann und Händler für allerlei Waren. Unter anderem kauften sie in Frankfurt und später in Zürich Rohseide für die weitere Verarbeitung oder den Handel ein. In Frankfurt und Köln ließen sie die Seide färben. In den 1690er-Jahren begannen die von der Leyens wohl mit der Produktion von eigenen Seidenwaren. Die Söhne von Wilhelm von der Leyen führten das Familienunternehmen dann zu Weltruf, der Krefeld als Samt- und Seidenstadt berühmt machen sollte.
Seidenverlegerfamilien von Krefeld des 18. und frühen 19. Jahrhunderts
Das Deutsche Textilmuseum Krefeld präsentiert nun in „Prestigesache – Bürgerlicher Kleiderluxus im 18. Jahrhundert“ seidene Kleidungsstücke, Gewebe und Accessoires des 18. Jahrhunderts aus eigener Sammlung, ergänzt durch zeitgenössische Gemälde und andere Bildwerke. Die Ausstellung zeigt nicht nur die Vielfalt der seidenen Produkte, sondern beleuchtet auch ihre Bedeutung als Luxusgüter und Statussymbole im 18. Jahrhundert. Sie verdeutlicht die kulturellen Codes, die in dieser Zeit den Aufstieg in der Gesellschaft beeinflussten. Die Ausstellung illustriert Themen, die für den gesellschaftlichen Wandel in der Frühen Neuzeit hin zur modebewussten Konsumgesellschaft um 1800 charakteristisch waren. Besondere Aufmerksamkeit in der Ausstellung gilt den Seidenverlegerfamilien von Krefeld des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Porträts, Textilien und Zeugnisse ihrer Handelstätigkeit bieten Einblicke in die Erfolgsgeschichte des Krefelder Seidengewerbes zwischen 1760 und 1830.
Drei Hörstationen
Erstmals werden in einem Teil der Ausstellung auch die mehrjährigen restauratorischen Maßnahmen und konservatorischen Vorbereitungen der hauseigenen Werkstatt zu dieser Ausstellung dargestellt. Neu sind zudem drei Hörstationen, die einerseits über das Museum informieren, anderseits sich weiterführenden Inhalten der Ausstellung widmet. Zur Ausstellung wird noch ein Begleitband erscheinen. Leihgeber für die Ausstellung sind die Kunstmuseen Krefeld, das Museum Burg Linn und das Grafschafter Museum Moers. Die Ausstellung des Deutschen Textilmuseums Krefeld dauert bis zum 16. Juni 2024. Weitere Informationen und das Rahmenprogramm stehen unter www.deutschestextilmuseum.de. Für das Deutsche Textilmuseum gilt ab sofort eine geänderte Öffnungszeit. Das Haus am Andreasmarkt 8 hat dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Die Winteröffnungszeit gilt bis zum 31. März 2024. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben kostenfreien Eintritt in die städtischen Krefelder Museen.
Konvolut des Deutschen Textilmuseums
Eine Auswahl aus den etwa 900 Seiden umfassenden Konvolut des Deutschen Textilmuseums wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „Parvenue – Bürgerlicher Aufstieg im Spiegel der Objektkultur des 18. Jahrhunderts“ (Teilprojekt ‚Europäische Seiden des 18. Jahrhunderts‘) grundlegend erforscht. Die Objekte wurden kunst- und kulturhistorisch eingeordnet, indem Aspekte der Sachkulturforschung mit kunst- und sozialhistorischen Fragestellungen verbunden wurden. Von besonderem Interesse waren dabei Aufstiegsbiografien, Selbstrepräsentation und Geschmacksbildung, die sich anhand der Originale erfassen ließen.