Umsturzpläne von Reichsbürgernetzwerk: Dritter Prozess in München gestartet

Im Komplex um die Pläne für einen Staatsstreich durch das mutmaßliche Reichsbürgernetzwerk rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß hat vor dem Oberlandesgericht München der dritte Mammutprozess begonnen.

Im Komplex um die Pläne für einen Staatsstreich durch das mutmaßliche Reichsbürgernetzwerk rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß hat am Dienstag vor dem Oberlandesgericht München der dritte Mammutprozess begonnen. Insgesamt acht Angeklagte müssen sich dort unter anderem wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten. Zuvor starteten bereits Prozesse in Stuttgart und Frankfurt am Main.

Das Münchner Verfahren findet unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen in dem Verhandlungssaal statt, in dem auch der Prozess um die Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) stattfand. Verhandelt wurde dort gegen das NSU-Mitglied Beate Zschäpe und Helfer des rechtsextremen Netzwerks.

Ein Teil der Münchner Beschuldigten soll sich nach der Anklage der Bundesanwaltschaft im Juli 2021 bei einem Treffen verständigt haben, die staatliche Ordnung in Deutschland zu beseitigen. Das Treffen soll im Haus von Thomas T. in Buch am Wald stattgefunden haben. Später soll sich die Gruppe dann immer weiter radikalisiert, weitere Mitglieder gewonnen und konkret für einen möglichen Umsturz geplant haben.

Zum Beginn des Prozesses bekamen die Angeklagten Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft zu äußern. In seiner umfassenden Eröffnungserklärung wies der Verteidiger von T., der im NSU-Prozess für Zschäpe tätige Rechtsanwalt Wolfgang Heer, die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft kategorisch zurück.

Herr sagte, sein Mandant habe zu dem Zeitpunkt des Treffens im Juli 2021 große Sorge vor einem drohenden staatlichen Impfzwang wegen der Coronapandemie gehabt. Deshalb habe er sich hier mit dem als Mitglied des Netzwerks in Frankfurt am Main angeklagten Maximilian E. getroffen, um sich über die Gefahren von Impfungen zu informieren.

Es sei nicht um einen Umsturz gegangen. „Die terroristische Vereinigung gab es nicht“, sagte Heer. „Jedenfalls hat sich unser Mandant nicht daran beteiligt.“ Er warf der Bundesanwaltschaft einseitige Ermittlungen vor.

Die Erklärungen der Angeklagten könnten einige Zeit in Anspruch nehmen, bevor in die eigentliche Beweisaufnahme eingestiegen wird. Allein Heer verlas eine mehr als 80-seitige Erklärung. Bei den acht Münchner Angeklagten handelt es sich um sechs Männer und zwei Frauen, die der Reichsbürgerszene zugeordnet werden.

Mit Ausnahme von einem Angeklagten machten alle Angeklagten neben ihrem Geburtstdatum auch Angaben zu ihrer Staatsangehörigkeit. Lediglich der aus dem thüringischen Jena stammende Christian W. sagte: „Angenommen ist die Staatsangehörigkeit Deutsch.“ Reichsbürger akzeptieren das Bestehen der Bundesrepublik nicht.

Bei den Angeklagten handelt es sich um einen Landschaftspfleger, einen selbstständigen Schweißer, einen Kfz-Meister, einen Softwareentwickler, einen Mitarbeiter im Sicherheitsgewerbe, eine Astrologin, eine Ärztin und eine promovierten Juristin. Diese an verschiedenen Orten in Deutschland lebenden Angeklagten sollen sich getroffen und miteinander kommuniziert, den Reichstag ausgespäht und die Pläne für einen militärischen Umsturz und den Aufbau einer neuen Regierung – bei ihnen Rat genannt – geschmiedet haben.

Kopf der Gruppe soll der Adlige Prinz Reuß gewesen sein, der in Frankfurt vor Gericht steht. Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft glaubten die Angeklagten, dass ein Vertreter des Adels nötig sei, um nach einem Umsturz mit anderen Ländern Verhandlungen über eine Friedensordnung aufzunehmen.

Die Gruppenmitglieder sollen geglaubt haben, dass Deutschland von einer „verschwörerischen Sekte pädophiler Eliten“ beherrscht werde. Sie seien davon überzeugt gewesen, dass die Bevölkerung „aufwachen“ und sich hinter sie stellen werde.

Das Netzwerk soll nicht nur die Verschwörung geplant, sondern auch konkrete Schritte unternommen haben. So sammelte die Gruppe Geld ein und soll etwa eine halbe Million Euro zur Verfügung gehabt haben. Die in München angeklagte Ärztin soll 47.000 Euro dazu beigesteuert haben.

Außerdem sollen Mitglieder der Gruppe Schießübungen absolviert und ein Waffenarsenal angelegt haben. Versuche, an mehr Waffen zu kommen, sollen daran gescheitert haben, dass die Gruppenmitglieder dabei von einem Schweizer Brüderpaar betrogen wurden.
© AFP

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