Hamm – Die Musik in „ernste Musik“ und „Unterhaltungsmusik“ aufzuspalten, war eine Idee von Verwertungsgesellschaften. Sie kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf. Es ging dabei um die Vergütungshöhe verschiedener Titel, mithin um Geld. Je länger man über diese Etikettierung nachdenkt, desto mehr Fragen wirft sie auf. Dienen viele Opern und Operetten nicht auch Unterhaltungszwecken? Was ist mit den Walzern von Johann Strauß? Wo wären die genialen Songs einzuordnen, die Kurt Weill für die „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht schrieb? Ist „Yesterday“ von den Beatles weniger unsterblich als der „Türkische Marsch“ von Wolfgang Amadeus Mozart?
Zu Lebzeiten von Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) stellten sich derlei Fragen nicht. Der Schöpfer der „Feuerwerksmusik“ und des „Messias“, dessen Wirken in London viele Spuren hinterließ, komponierte neben vielen ernsten Opern und Oratorien auch Werke, die trotz ihres geistlichen Sujets der Unterhaltung dienen sollten. Auch Henry Purcell, Urvater der britischen Musik, schrieb für vielfältige Anlässe. Seine Musik erklang in der Kirche, in der Oper, bei Hofe, aber auch auf öffentlichen und privaten Feiern.
Mit seinem innovativen Konzertprogramm Mr. Händel im Pub will das auf Alte Musik spezialisierte Ensemble „I Zefirelli“ zeigen, wie fließend die Übergänge zwischen (ernster) Barockmusik und (unterhaltsamer) Folkmusik um 1700 in London waren. Die sechs Musikerinnen und Musiker, die den griechischen Windgott „Zephyr“ zum Namenspatron wählten, brachten dieses Programm tatsächlich in einem englischen Pub zur Uraufführung. Mit Blockflöte, Barockvioline, Barockcello, Laute, Cembalo, Perkussion und Gesang probieren „I Zefirelli“ einen sehr englischen Spagat zwischen Kunst und Volkstümlichkeit.
Die Mitglieder von „I Zefirelli“ komponieren, arrangieren und improvisieren viel und gerne. 2019 gewann das Ensemble beim Internationalen Händel-Wettbewerb in Göttingen den Sonderpreis des Radiosenders WDR 3. Für diesen Anlass hatten die Musikerinnen und Musiker das Finale von Händels Oper Berenice für ihr eigenes Ensemble umgeschrieben und mit eigens verfassten Rezitativen abgerundet. Im Jahr 2020 gestalteten sie ein Improvisationskonzert im Nikolaisaal in Potsdam und verfassten 2021 unter anderem zwei eigene Kantaten.