Skepsis zu Verbotsverfahren gegen AfD – Rufe nach inhaltlicher Auseinandersetzung

Nach den Berichten über ein Geheimtreffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremisten zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert die Politik weiter über ein Verfahren zu einem Parteiverbot.

Nach den Berichten über ein Geheimtreffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremisten zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert die Politik weiter über ein Verfahren zu einem Parteiverbot. Führende Vertreter von Union und den Ampel-Parteien sprachen sich am Montag aber gegen einen solchen Schritt aus und plädierten für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD. Die türkische Gemeinde in Deutschland warnte AfD-Sympathisanten offen vor einer Wahl der Partei.

Mit einem Verbotsverfahren würde sich die AfD „zum Opfer stilisieren“, sagte die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, nach einer Präsidiumssitzung der Partei. „Wir nehmen den Fehdehandschuh auf und wollen sie politisch stellen.“

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betonte, dass die Probleme im Zusammenhang mit der Migration gelöst werden müssten, um die AfD thematisch zu bekämpfen. Es sei ein großer Fehler zu glauben, dass die AfD eine normale Partei mit einem normalen Programm sei. „Das ist definitiv nicht der Fall. Das sind Menschen, die wollen unserem Land schaden.“

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) warnte vor der Gefahr eines Scheiterns eines Verbots. „Ein Verbotsverfahren ist sehr sensibel und es sollte nur dann angestoßen werden, wenn es nach menschlichem Ermessen sicher zum Erfolg führt“, sagte Rehlinger der „Welt“ vom Montag. „Sonst organisiert man der Partei einen desaströsen Erfolg, den sie ausschlachten wird.“

„Ein Verbotsverfahren darf kein Bumerang werden“, sagte auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Es sollte deshalb erst begonnen werden, „wenn es ausreichend Hinweise und Informationen gibt, um ein Verbot auch gerichtlich durchzusetzen“.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hielt ein Verbotsverfahren „für den falschen Weg“. Der CSU-Vorsitzende forderte stattdessen eine andere Politik der Bundesregierung. Denn die AfD nutze die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Dem müsse der Boden entzogen werden durch eine andere Politik. Am Wochenende hatte auch CDU-Chef Friedrich Merz ein Verbotsverfahren abgelehnt und gewarnt, dieses würde Jahre dauern und die AfD nur „in ihrer Märtyrerrolle“ bestärken.

Die Debatte über ein Parteiverbot war durch Recherchen der Plattform Correctiv über ein Geheimtreffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern im November in einer Villa bei Potsdam befeuert worden. Dort soll über die Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gesprochen worden sein. ,An dem Treffen nahmen den Recherchen zufolge unter anderem der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig, und der AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, teil. Am Sonntag hatten in Berlin, Potsdam und weiteren Städten tausende Menschen aus Anlass der Berichte über das Treffen gegen Rechts und für Demokratie demonstriert.

Juristischen Organisationen verurteilten das Treffen am Montag auf das Schärfste. „Was im November im kleinen Kreis nahe Potsdam entworfen wurde, ist mehr als nur eine schauerliche Vision“, erklärten der Deutsche Richterbund, der Deutsche Anwaltverein und vier weitere Organisationen. „Es ist ein Angriff auf die Verfassung und den liberalen Rechtsstaat.“ Die „gesetzliche Legitimation solcher Phantasien“ müsse „mit allen juristischen und politischen Mitteln verhindert werden“.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland warnte AfD-Sympathisanten ausdrücklich vor einer Wahl der Partei. „Allen, die jetzt ernsthaft noch darüber nachdenken, die AfD zu wählen, möchte ich sagen: Ihr wählt keine Alternative, keine Besserung und schon gar nicht die Lösung für eure Probleme“, erklärte der Vorsitzende Gökay Sofoglu. „Ihr wählt den Untergang unserer offenen und demokratischen Gesellschaft.“
© AFP

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