Kara-Mursa, Jaschin und Piwowarow danken Scholz für Unterstützung bei Gefangenenaustausch

Nach ihrer Freilassung im Rahmen des größten Gefangenenaustauschs zwischen Russland und dem Westen seit dem Kalten Krieg haben die russischen Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa, Ilja Jaschin und Andrej Piwowarow Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Deutschen gedankt.

Nach ihrer Freilassung im Rahmen des größten Gefangenenaustauschs zwischen Russland und dem Westen seit dem Kalten Krieg haben die russischen Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa, Ilja Jaschin und Andrej Piwowarow Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Deutschen gedankt. „Es war keine einfache Entscheidung für Bundeskanzler Scholz“, sagte Kara-Mursa am Freitagabend bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Bonn. Wichtiger Bestandteil der Vereinbarung mit Russland war die Freilassung des sogenannten Tiergarten-Mörders aus deutscher Haft.

„Gestern wurden 16 Menschenleben gerettet“, hob Kara-Mursa bevor. „Ich glaube nicht, dass es auf der Welt etwas Wichtigeres gibt.“ Dies sei der Unterschied „zwischen einer Diktatur und einem demokratischen System: Menschenleben sind das höchste Gut“, sagte er. Der 42-Jährige fügte hinzu, er wolle „allen Menschen in Deutschland danken, die sich für Befreiung der politischen Gefangenen eingesetzt haben und es weiter tun“.

Bei dem Gefangenenaustausch hatte Russland am Donnerstag 15 Inhaftierte freigelassen, unter ihnen vier Gefangene mit deutschem Pass. Auch die Freilassung eines in Belarus zunächst zum Tode verurteilten und später begnadigten Deutschen konnte erreicht werden. Im Gegenzug wurden acht russische Häftlinge und zwei Minderjährige, die Kinder von zwei der Freigelassenen, nach Russland ausgeflogen.

Bei dem Austausch spielte die Bundesregierung eine zentrale Rolle. Nach Angaben der US-Regierung war es entscheidend, dass Scholz der Freilassung des sogenannten Tiergarten-Mörders Vadim Krasikow aus deutscher Haft zustimmte. Nach dem Gefangenenaustausch wurden Warnungen laut, Russland könne sich dadurch zu willkürlichen Festnahmen von Staatsbürgern westlicher Länder ermutigt fühlen, um sie als Faustpfand zu missbrauchen.

Aus Sicht des nun freigelassenen Jaschin befindet sich der Westen bei dem Austausch von Gefangenen in einem „schwierigen Dilemma“. Zugleich betonte er in Bonn, dass Scholz dieses Dilemma „sehr gut versteht“. Er sei zudem sicher, dass Kreml-Chef Wladimir Putin unabhängig von der Unterstützung des Westens für inhaftierte politische Gefangene „so oder so“ Gefangene als Faustpfand nehmen würde – „unabhängig davon, ob westliche Regierungen Menschen retten oder ignorieren“.

„Ohne die Unterstützung Deutschlands hätte niemand den Ort, wo wir waren, überleben können“, sagte der ebenfalls freigelassene Andrej Piwowarow. Er sei sicher, dass von dem Austausch „viele Menschen in Russland inspiriert“ seien.

Die drei Oppositionellen waren am Vorabend auf dem Flughafen Köln/Bonn gelandet. Dort von Scholz begrüßt zu werden, sei „unglaublich“ gewesen, sagte Piwowarow. Mit Blick auf seine Rolle und die der anderen freigekommenen russischen Oppositionellen sagte er: „Wir wollen den Menschen in Russland, die jetzt unter Druck stehen, Hoffnung geben.“

Kara-Mursa beschrieb seinen Gefühlszustand nach seiner Freilassung mit den Worten: „Ich fühle mich wie im Film: Gestern war ich noch in Haft, und heute bin ich am schönen Ufer des Rheins in Bonn.“ Dabei sei er sicher gewesen, dass er „in Putins Gefängnis sterben und meine Familie nie wiedersehen würde“.

Zugleich machte er deutlich, dass er seinen Widerstand gegen Putin fortsetzt. Der Kreml-Chef sei „ein Diktator, ein Usurpator und ein Mörder“, der unter anderem für den Tod von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny in russischer Lagerhaft sowie für den Tod zahlreicher ukrainischer Kinder verantwortlich sei.

Noch immer würden hunderte Menschen „nur deshalb im Gefängnis sitzen, weil sie unpassende politische Ansichten haben“, fügte Kara-Mursa mit Verweis auf hunderte in Russland inhaftierte politische Gefangene hinzu. „Es sind unsere Mitbürger, die sich genauso wie wir gegen den aggressiven, ungerechten Krieg einsetzen, den Putin gegen die Ukraine gestartet hat“, sagte er.

Jaschin bezeichnete Putin seinerseits als „Feind meines Landes“. Er habe sich immer geweigert, an einen solchen „Kriegsverbrecher, Tyrannen und Mörder“ ein Begnadigungsgesuch zu richten, auch wenn er nun „sehr glücklich“ sei, in Freiheit zu sein. „Mein Platz ist in Russland“, betonte Jaschin.

Ähnlich kämpferisch äußerte sich auch Kara-Mursa. Als er ins Flugzeug gestiegen sei, habe ihm einer der Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, der den Gefangenenaustausch begleitete, gesagt, er sehe nun seine Heimat zum letzten Mal. Er habe ihm daraufhin entgegnet: „Wir werden alle nach Russland zurückkehren. Der Tag wird kommen, an dem Russland frei sein wird – ein normales Land, ein zivilisiertes Land, ein europäisches Land.“

Die russischen Behörden hatten Kara-Mursa im April 2022 inhaftiert, nachdem er Russland „Kriegsverbrechen“ gegen die Ukraine vorgeworfen hatte. Im April 2023 wurde er zu 25 Jahren Haft verurteilt.

Jaschin war Ende 2022 zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er den russischen Angriffskrieg in der Ukraine kritisiert hatte. Der 41-Jährige war ein Vertrauter des 2015 ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow und Freund des im Februar in einem russischen Straflager gestorbenen Nawalny.

Piwowarow, einer der bekanntesten Oppositionspolitiker in Russland, war 2022 wegen unerlaubter Publikationen zu vier Jahren Straflager verurteilt worden. Der 42-Jährige war früher Chef der Oppositionsbewegung Offenes Russland, die von dem Oligarchen und Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski gegründet worden war.
© AFP

xity.de
Nach oben scrollen