Gedenken an Anschlag von Halle: Steinmeier mahnt zu Kampf gegen Antisemitismus

In Halle ist am Mittwoch an den Anschlag auf die jüdische Synagoge vor fünf Jahren erinnert worden.

Zum Zeitpunkt der ersten tödlichen Schüsse um 12.03 Uhr läuteten in der ganzen Stadt die Kirchenglocken. Außerdem standen Busse und Straßenbahnen zu diesem Zeitpunkt still. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte in Halle zum Kampf gegen Antisemitismus.

Der Rechtsextremist Stephan B. hatte am 9. Oktober 2019 versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur die Synagoge in Halle zu stürmen und die dort versammelten 52 Gemeindemitglieder zu töten. Das scheiterte an der gesicherten Eingangstür und Ladehemmungen seiner selbstgebauten Waffen. Unmittelbar danach erschoss der Attentäter in der Stadt eine Passantin auf der Straße und einen jungen Mann in einem Dönerimbiss.

2020 wurde der Täter wegen zweifachen Mordes und dutzendfachen Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt. Außerdem ordnete das Gericht anschließende Sicherungsverwahrung an.

Bei der zentralen Gedenkveranstaltung am Mittwoch in Halle forderte Steinmeier alle Menschen in Deutschland zum Einsatz gegen Antisemitismus und Rassismus auf. „Wir sind dagegen nicht machtlos – wir können der Gefahr der Radikalisierung gemeinsam entgegentreten“, sagte Steinmeier laut Redetext. „Es ist Zeit zu widersprechen, wo jemand gegen Minderheiten vorgeht. Es ist Zeit für Vernunft, wo jemand Wut und Hass schürt. Es ist Zeit für Solidarität, wo jemand angegriffen wird.“

Die Gesellschaft dürfe sich nicht auseinander treiben lassen, betonte Steinmeier. „Wenn ein anderer die Würde des Menschen ignoriert und mit Füßen tritt, dann ist es Zeit, zusammenzustehen.“ Weiter sagte er: „Das ist die Lehre von Halle: Auf jeden Einzelnen von uns kommt es an.“

Es werde allerdings schwieriger, den Kampf zu führen. Die Hemmschwelle für Hass sinke, und die Netzwerke des Hasses seien immer schwerer aufzuspüren. Dass Synagogen und andere jüdische Einrichtungen in Deutschland vor Angriffen geschützt werden müssten, sei ebenso „bitterer Alltag“ wie die alltägliche Furcht von Jüdinnen und Juden, angegriffen, beleidigt und bespuckt zu werden. Seit dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel scheine sich „geradezu ein Ventil für einen ungezügelten Judenhass geöffnet zu haben“, sagte Steinmeier.

Zuvor hatten Steinmeier und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) an den beiden Anschlagsorten, dem ehemaligen Dönerimbiss und der Synagoge, der Opfer gedacht. Außerdem sprachen sie dort mit Betroffenen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, der Anschlag von Halle habe sich „tief in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt“. Die Folge sei auch ein ständiger Kampf „mit Ängsten und einem tiefen Misstrauen gegenüber dem Staat sowie seiner Sicherheitsinstitutionen“, sagte er laut Redetext auf der Gedenkveranstaltung. Schuster warb dafür, sich stärker als bisher für den Respekt vor den verschiedenen Religionen und für die Menschenwürde einzusetzen.

Für Mittwochabend luden die Stadt Halle, die Evangelische Kirche und die Jüdische Gemeinde die Bürgerinnen und Bürger zu einer Andacht mit Musik und Kerzen auf dem Marktplatz ein.
© AFP

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