Einem juristischen Gutachten am Europäischen Gerichtshof (EuGH) zufolge darf ein EU-Land einem Bürger die Staatsangehörigkeit entziehen, wenn dieser freiwillig die Nationalität eines anderen Staats außerhalb der Europäischen Union annimmt. Die deutsche Regelung ist damit nach Auffassung des zuständigen Generalanwalts am EuGH zulässig, wie er am Donnerstag in Luxemburg ausführte. Seine sogenannten Schlussanträge sind aber nur eine Einschätzung, noch kein Urteil. (Az. C‑684/22 u.a.)
Generalanwalt Maciej Szpunar befasste sich mit den Fällen von fünf Menschen, die zwischen den 70er und den 90er Jahren aus der Türkei nach Deutschland kamen. Sie ließen sich später einbürgern, nahmen aber dann wieder die türkische Nationalität an. Die Behörden stellten fest, dass sie deshalb keine Deutschen mehr seien. Dagegen zogen sie in Nordrhein-Westfalen vor Gericht.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf fragte den EuGH, ob die deutsche Regelung mit dem EU-Recht vereinbar sei. Dieser bejahte. Er erklärte, dass Behörden Betroffene in einem solchen Fall vorher über die Folgen ihres Handelns informieren müssten. Es müsse die Möglichkeit geben, sich die Beibehaltung der bisherigen – hier der deutschen – Nationalität genehmigen zu lassen. Das sieht das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz bereits vor.
Bislang ist der Doppelpass in Deutschland nur in einigen Fällen möglich, etwa wenn das Herkunftsland die Aufgabe der Staatsbürgerschaft nicht erlaubt oder der Betreffende aus einem anderen EU-Land kommt. Die geplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts sieht allerdings vor, dass Eingebürgerte den Pass ihres Herkunftslands behalten dürfen.
Wann der EuGH über die Fragen aus Düsseldorf entscheidet, ist noch nicht bekannt. Erfahrungsgemäß orientieren sich die europäischen Richterinnen und Richter oft am Gutachten des Generalanwalts. Über die konkreten Fälle muss nach dem EuGH-Urteil das Verwaltungsgericht entscheiden.
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