In Thüringen kam die von Björn Höcke geführte AfD bei der Wahl am Sonntag laut Hochrechnungen von ARD und ZDF mit 32,4 Prozent bis 33,4 Prozent auf den ersten Platz. Die CDU folgte mit klarem Abstand auf Platz zwei, das von Sahra Wagenknecht gegründete BSW kam aus dem Stand auf Platz drei. Große Verlierer waren die Linke und die Ampel-Parteien.
Damit steht Thüringen abermals vor einer äußerst schwierigen Regierungsbildung. Die Parteien im Erfurter Landtag werden dafür neue Wege gehen müssen, weil keine der bislang auf Ebene der Bundesländer erprobte Koalitionsoptionen dort eine Mehrheit hätte. AfD-Landeschef Björn Höcke reklamierte die Führung der nächsten Regierung für seine Partei – allerdings will keine der anderen Parteien mit der AfD koalieren. Eine zentrale Rolle als Mehrheitsbeschaffer wird deshalb dem erst im März gegründeten thüringischen BSW zukommen.
Auf Platz zwei hinter der AfD landete die von Mario Voigt geführte CDU, die laut Hochrechnungen auf 23,8 Prozent der Stimmen kam. Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow verlor mehr als die Hälfte ihres Stimmanteils und landete mit 11,9 Prozent bis 12,9 Prozent noch hinter der Wagenknecht-Partei BSW. Der BSW-Landesverband erreichte mit Spitzenkandidatin Katja Wolf mit 15,5 Prozent bis 15,6 Prozent der Stimmen auf Anhieb Platz drei.
Die im Bund regierenden Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP erzielten in Thüringen durchweg nur einstellige Werte. Die Kanzlerpartei SPD musste mit 6,0 Prozent bis 6,2 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl seit Gründung der Bundesrepublik hinnehmen. Grüne und FDP verpassten den Wiedereinzug in den Erfurter Landtag. Die Grünen kamen auf 3,4 Prozent bis 3,5 Prozent. Die FDP landete deutlich unter zwei Prozent.
Die Mandatsverteilung im künftigen Landtag dürfte laut ARD und ZDF so aussehen: AfD 31 bis 32 Mandate, CDU 23 Mandate, BSW 15 Mandate, Linke zwölf bis 13 Mandate und SPD sechs Mandate.
Neben Höcke reklamierte auch CDU-Chef Voigt die Bildung einer neuen Regierung für sich. Voigt kündigte an, andere Parteien zu Gesprächen über die Regierungsbildung einzuladen – als erstes die SPD. Die CDU sei im künftigen Landtag „die stärkste Kraft der Mitte“, sagte er. „Rot-Rot-Grün ist abgewählt.“ Er strebe eine Mehrheitsregierung beziehungsweise eine stabile Regierung“ an.
AfD-Landeschef Höcke warnte davor, seine vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei bei der Regierungsbildung zu umgehen. „Ich kann davor nur warnen“, sagte Höcke. „Jede Konstellation, an der die AfD nicht beteiligt ist, wird diesem Land nicht gut tun.“
Eine besondere Herausforderung im neuen thüringischen Landtag wird darin bestehen, dass die AfD voraussichtlich eine Sperrminorität von einem Drittel der Sitze erreichte – sie hätte damit eine Art Veto etwa bei der Entscheidung des Thüringer Landtags über Neuwahlen oder bei der Besetzung von Richterposten. Die AfD könnte parlamentarische Prozesse zudem noch mehr als bisher lähmen.
Landeschef Höcke forderte die anderen Parteien am Abend auf, mit der AfD ins Gespräch zu kommen. „Wir wollen diese Sperrminorität auf keinen Fall missbrauchen“, sagte er zu. Höcke kritisierte dabei „das dämliche Brandmauergerede“, mit dem andere Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD bislang ausschließen.
BSW-Chefin Wagenknecht zeigte sich offen für eine Regierungsbildung mit der CDU. „Wir hoffen, dass wir am Ende eine gute Regierung mit der CDU zustande bringen, vielleicht auch mit der SPD“, sagte sie.
Der bisherige Ministerpräsident Ramelow – der einzige Linken-Regierungschef auf Landesebene – räumte seine Niederlage ein. Der CDU als stärkste Kraft „im demokratischen Spektrum“ stehe es nun zu, zu Gesprächen über eine Regierungsbildung einzuladen, sagte Ramelow. Er werde die Bildung einer demokratischen Regierung ohne AfD unterstützen: „Ich kämpfe nicht gegen die CDU, ich kämpfe gegen die Normalisierung von Faschismus.“
Bei der Landtagswahl in Thüringen zeichnete sich eine hohe Wahlbeteiligung ab. Laut ARD lag sie bei 73,5 Prozent. Bei der letzten Landtagswahl 2019 hatte die Beteiligung bei 64,9 Prozent gelegen. 1,66 Millionen Bürgerinnen und Bürger waren zur Stimmabgabe aufgerufen.
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