Essen – In ganz Deutschland, Nordrhein-Westfalen (NRW) und somit auch in Essen herrscht aktuell ein großer Fachkräftemangel. Prognosen ergeben, dass bis zum Jahr 2030 in Essen trägerübergreifend 2.570 Erzieher:innen benötigt werden, um die Betreuung in Kindertageseinrichtungen, in offenen Ganztagsschulen, der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder im Bereich stationärer Hilfen und in den Kinderheimen sicherzustellen. Demgegenüber stehen Ausbildungskapazitäten im gleichen Zeitraum von bis zu 1.570 Personen. Dementsprechend würden im Jahr 2030 rund 1.000 Erzieher*innen fehlen.
Im Juni 2023 beschloss der Rat der Stadt Essen neue Wege zu gehen, um diesem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Ansätze sind dabei vielfältig. Die Einrichtung der „Task-Force Fachkräfte“, die sich ausschließlich mit diesem Thema befasst, Imagekampagnen, die junge Menschen für den Berufsweg der Sozial- und Erziehungsberufe begeistern sollen, gehören unter anderem zu den neuen Strategien.
Am vergangenen Dienstag, 29. Oktober, begrüßten Bürgermeisterin Julia Jacob und Muchtar Al Ghusain, Beigeordneter für Jugend, Bildung und Kultur der Stadt Essen, gemeinsam mit Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern die ersten drei Spanier*innen Karla Shaylin Celi Bosa aus Tarragona, Luisa María Miranda Hernández von Teneriffa, Iván Diges Corral aus Guadalajara nahe Madrid in der städtischen Kindertagesstätte Armstraße – Òscar Braulio Novau aus Barcelona war kurzfristig erkrankt. „Wir brauchen mehr und entsprechend qualifizierte Fachkräfte in Betreuungseinrichtungen. Deshalb freue ich mich ganz besonders über unsere vier Erzieherinnen und Erzieher aus Spanien. Sie stehen heute im Mittelpunkt“, erklärte Bürgermeisterin Julia Jacob. Die Bürgermeisterin bedankte sich bei allen Beteiligten für die Zusammenarbeit und wünschte den Erzieherinnen*Erziehern ein gutes Ankommen in der Stadt Essen.
Kooperationsprojekt mit Bundesagentur für Arbeit, Allbau und Jugendhilfe Essen
Im September 2023 entschloss sich die Stadt Essen, für das Jahr 2024 an einem Programm zur Fachkraftgewinnung über die Landesgrenzen hinaus teilzunehmen. In Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit sollten durch dieses Pilotprojekt Fachkräfte aus Spanien für Essener Kitas gewonnen werden. „Der Fachkräftemangel in Deutschland wird noch größer. In Spanien dagegen herrscht aktuell eine hohe Arbeitslosigkeit. Die fachlich qualifizierten Bewerber*innen haben in ihrer Heimat fehlende berufliche Perspektiven“, sagte Andrea Demler, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Essen.
Bereits im ersten Anlauf wurden vier neue Fachkräfte für städtische Kitas gewonnen. Durch die Unterstützung der Allbau GmbH, der Jugendhilfe Essen gGmbH und des Spanischen Elternvereins Essen e.V. wurden Wohnungen, Möbel und Netzwerke für die spanischen Erzieher*innen gefunden. Die Stadt Essen übernimmt im Projekt auch einen Teil der entstehenden Kosten: Sprachkurse werden anteilig übernommen, Reisegelder bezuschusst, Hospitationsprogramm finanziert, eine Monatsmiete beim Wohnungsgeber Allbau GmbH übernommen, eine einfache Möblierung wird mit Unterstützung der Jugendhilfe Essen gGmbH umgesetzt. Alle spanischen Fachkräfte haben in der Heimat frühkindliche Bildung und Erziehung studiert. In Spanien muss ein Studium absolviert werden, um in einer Kindertagesstätte zu arbeiten. Das System ähnelt dabei jedoch schon sehr früh einer Art Grundschule. Neben Essen hatten sich auch weitere Städte aus NRW bei diesem Projekt beworben. Daraus ergaben sich landesweit 79 freie Stellen für die insgesamt 21 Bewerbenden aus Spanien. Für Essen eine erfolgreiche Quote bei vier aus 21 Bewerbenden für ganz NRW.
Fünf städtische Kindertagesstätten waren sofort bereit, am Pilotprojekt mitzuwirken
Zu Beginn wurden Vorstellungsgespräche per Videokonferenz und mit Unterstützung von Dolmetscherinnen geführt. Anschließend erfolgten Hospitationen in den teilnehmenden Kindertagesstätten: Kindertagesstätte Armstraße, Kindertagesstätte Barthel-Bruyn-Straße, Kindertagesstätte Hildesheimer Straße und Kindertagesstätte Hünninghausenweg. Dazu reisten die spanischen Bewerber*innen nach Essen, um ihre künftige neue Heimat, Arbeitgeber*innen, die Kitas und die Menschen vor Ort persönlich kennenzulernen. Sie erkundeten die Stadt Essen bei einer Stadtführung in ihrer Heimatsprache und besuchten dabei auch das UNESCO-Weltkulturerbe Zollverein.
Sprachliche Vorbereitung begann schon in Spanien
In enger Begleitung durch Vera Bunkus, Mitarbeiterin der Task-Force Fachkräfte des Jugendamtes und ebenfalls gelernte Erzieherin, durchliefen die spanischen Fachkräfte von Vorstellungsgesprächen bis hin zu Behördengängen und Vertragsabschlüssen wie beispielsweise Energieanbietern alle Stationen. Vera Bunkus ist die direkte Ansprechpartnerin für die spanischen Fachkräfte und ihre Kitas sowie als Mentorin im beruflichen sowie lebenspraktischen Alltag. Dabei wird sie tatkräftig von Cristina Fernández García-Moser, Vorsitzende des Spanischen Elternverein e.V., unterstützt. Cristina Fernández García-Moser teilt ihre umfangreichen Erfahrungen und unterstützt mit einem Netzwerk an spanischsprachigen Kontakten. In Vorbereitung auf die Zeit in Essen absolvierten alle Spanier*innen einen Online-Sprachkurs. Die Sprache eröffnet einen schnellen Zugang und fördert die Integration in einem neuen Land. Besonders in der Arbeit mit kleinen Kindern ist die Sprache dabei unabdingbar. Aktuell ist geplant mit der Arbeitsagentur einen Berufssprachkurs anzubieten, der ein B2-Sprachzertifikat ermöglicht.
Südländisches Flair in Nilpferdgruppe
Für Karla Shaylin Celi Bosa, Luisa María Miranda Hernández und Iván Diges Corral steht heute schon fest – der Umzug nach Deutschland war eine gute Entscheidung. „Wir haben sehr viel Unterstützung bekommen und unsere Kolleginnen und Kollegen sind sehr nett“, sagen die Spanier:innen. Und Anke Barkhoff, stellvertretende Kitaleiterin der städtischen Kita Armstraße freut sich über das südländische Flair in ihrer Nilpferdgruppe.