Die frühere Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker hat scharfe Kritik an Banken und deren Anwälten geübt, die in den Cum-Ex-Steuerskandal verwickelt sind. Im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ sagte sie, es sei häufig alles getan worden, „um unsere Arbeit zu erschweren und in die Länge zu ziehen“. So seien etwa Dokumente ins Ausland geschafft worden, die „angeblich nicht mehr nach Deutschland zurückgeholt werden konnten“.
Brorhilker war Chefermittlerin im Cum-Ex-Steuerskandal, bei dem gegen mehr als 1700 Beschuldigte ermittelt wird. Sie hatte zu Ende Mai gekündigt und den Justizdienst verlassen. Brorhilker arbeitet mittlerweile als Geschäftsführerin bei der Bürgerbewegung Finanzwende.
In einem Newsletter begründete sie dort erst kürzlich erneut ihren Jobwechsel und ließ erkennen, dass sie unzufrieden damit ist, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird. In diesem Bereich seien die Beschuldigten häufig „finanziell exzellent ausgestattet“ und Ermittlungen würden gegen Geldauflagen eingestellt, sodass es nicht zu Verfahren komme. Sie wolle erreichen, „dass Steuerbetrug in Millionenhöhe nicht sanfter behandelt wird als Sozialbetrug“.
Brorhilker übte auch Kritik an den Anwälten der involvierten Banken. „Es geht darum, Dinge künstlich zu verkomplizieren“, sagte sie dem „Handelsblatt“. Häufig würden „möglichst lange Sätze mit möglichst vielen Fremdwörtern“ gebildet, um dem Gegenüber unbewusst klar zu machen: „Du verstehst das sowieso nicht, weil du kein Jurist bist. Also misch‘ dich da nicht ein.“ Dabei müsse die juristische Sprache klar und einfach und ohne viele Fremdwörter sein.
Zu der großen Zahl an über 1700 Beschuldigten sagte sie, sämtliche Ermittlungen seien erst nach sorgfältiger Prüfung eines Anfangsverdachts eingeleitet worden. „Die Steuerhinterziehung mit Cum-Ex-Geschäften hatte industriellen Charakter, das haben auch die Strafgerichte festgestellt.“ Es habe „eben nicht wenige schwarze Schafe“ gegeben, sagte Brorhilker.
Im sogenannten Cum-Ex-Skandal wurde der Fiskus ausgetrickst, so dass Kapitalertragsteuern mehrfach zurückerstattet wurden. Die Praxis war seit Anfang der 2000er Jahre bei vielen Banken im In- und Ausland üblich. Erst 2021 bestätigte der Bundesgerichtshof die Strafbarkeit solcher Geschäfte.
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