Wehrbeauftragte: Die Bundeswehr hat immer noch „von Allem zu wenig“

Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), hat trotz gewisser Fortschritte eine kritische Bilanz des Zustandes der Bundeswehr gezogen.

Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), hat trotz gewisser Fortschritte eine kritische Bilanz des Zustandes der Bundeswehr gezogen. „Die Bundeswehr hat immer noch von Allem zu wenig“, sagte Högl am Dienstag in Berlin mit Blick auf fehlendes Material bei der Vorstellung ihres Jahresberichts 2023. Und für das Personal gelte: „Die Bundeswehr altert und schrumpft.“

„Es braucht bestens aufgestellte Streitkräfte für glaubhafte Abschreckung und wirksame Verteidigung“, mahnte Högl. Es gebe jedoch weiterhin „einen großen Handlungsbedarf“, um eine vollständige Einsatzbereitschaft zu erreichen. So fehle es „an Munition, Ersatzteilen, Funkgeräten, Panzern, Schiffen und Flugzeugen.“

Zwar kämen die Bestellungen auch mit Hilfe des Bundeswehr-Sondervermögens langsam bei der Truppe an, doch „substanzielle Verbesserungen lassen weiter auf sich warten“. Im Bereich Infrastruktur wird in dem Bericht auf „verschimmelte Duschen“ in den Kasernen und weitere bauliche Mängel verwiesen.

All dies durch Investitionen zu verbessern, „wird auch weiterhin viel Geld kosten“, sagte Högl. Zu den benötigten Summen sowie zur Finanzierung im Bundeshaushalt äußerte sie sich jedoch nicht, sondern verwies auf die Zuständigkeit von Regierung und Parlament.

Beim Personal habe sich die Lage im vergangenen Jahr sogar noch verschlechtert, sagte Högl. Ende 2023 gab es ihrem Bericht zufolge 181.514 Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr – 1537 weniger als 2022. Es gebe weniger neue Bewerbungen und die Abbrecherquote bei den Rekrutinnen und Rekruten bleibe hoch. Auch der Frauenanteil bleibe zu gering. Zudem steige das Durchschnittsalter der Truppe.

Hoffnungen setzt Högl in die Umsetzung der Vorschläge der für den Personalbereich eingesetzten Task Force, um die Attraktivität der Truppe für junge Menschen zu steigern. Die SPD-Politikerin warb aber auch erneut für eine offene Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht – wenn auch mit „modernen Konzepten“ für ein Gesellschaftsjahr, das auch Einsätze im Sozial- oder Umweltbereich einschließen würde. Konzepte sollten dann möglichst in der folgenden Wahlperiode umgesetzt werden.

Die Wehrbeauftragte und ihr Stab bearbeiteten laut Bericht 2023 insgesamt 3859 Vorgänge. Davon gingen 2523 auf Eingaben von Soldatinnen und Soldaten zurück. Die Zahl sogenannter meldepflichtiger Ereignisse wurde mit 944 angegeben. Davon betrafen 204 den Bereich Rechtsextremismus. Ein Problem bleiben laut Högl auch Fälle sexueller Übergriffe. Hier gab es laut Bericht eine Zunahme auf 385 meldepflichtige Ereignisse, von einer hohen Dunkelziffer werde ausgegangen.

Die Reaktionen auf den Bericht der Wehrbeauftragten fielen unterschiedlich aus. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter forderte, „dass die bisherige Abschreckung verstärkt werden muss“, um Russland in die Schranken weisen zu können. Dazu gehörten auch ein schneller Ausbau „offensiver Fähigkeiten“, sagte er der Mediengruppe Bayern und eine Steigerung der Verteidigungsausgaben auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung.

Der CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul nannte den Bericht Högls eine „glatte Sechs für die Bundesregierung“. Die aufgelisteten Defizite träfen „den Kern einsatzbereiter Streitkräfte“, sagte er der „Rheinischen Post“.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann forderte ebenfalls mehr Investitionen in die Ausstattung der Bundeswehr. „Hier ist Einiges zu tun“, sagte auch sie. Haßelmann zeigte sich auch offen für eine Debatte über die Wehrpflicht. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte in Berlin. „Wir müssen uns jetzt noch viel schneller darum kümmern, dass die Bundeswehr kriegstüchtig ist.“

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich äußerte sich zurückhaltend zu dem Vorstoß von Högl für neue Debatten über die Wehrpflicht. Vorrangige Aufgabe sei aus seiner Sicht, „die Freiwilligenarmee attraktiver zu machen“, betonte Mützenich in Berlin. Dürr kritisierte die Wehrpflicht-Debatte als ein Ablenkungsmanöver.
© AFP

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