Angesichts der schwierigen Konjunkturlage hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Union aufgefordert, dem Wachstumschancengesetz im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zuzustimmen. „Was heute erreicht werden kann, sollte möglich gemacht werden. Hier haben wir gemeinsame Interessen“, sagte Lindner am Mittwoch bei einer Regierungsbefragung im Bundestag. Zuvor hatte bereits die Bundesratsvorsitzende und Chefin des Vermittlungsausschusses, Manuela Schwesig (SPD), die Beteiligten zur Kompromissbereitschaft aufgerufen.
Das von der Ampel-Regierung geplante Wachstumschancengesetz sehe eine „Reihe von enorm wichtigen Abschreibungen vor“, sagte Lindner. Er hob Erleichterungen für die Immobilienwirtschaft, Bürokratieabbau und Förderungen für die Forschungswirtschaft hervor. Das Programm sei „ein weiterer Baustein“, um „der Wirtschaft einen echten Schub zu geben.“
Zuletzt sei es gelungen, die Inflation „unter Kontrolle zu bringen“ – nun stehe mit einer „Wirtschaftswende“ die nächste Herausforderung an. Der Opposition komme dabei „besondere Verantwortung“ zu, sagte Lindner in Richtung der Union, die das Vorhaben bisher im Bundesrat blockiert. CDU und CSU wollen dem Gesetz nur zuzustimmen, wenn die Regierung im Gegenzug die schrittweise Streichung der Subventionen bei Agrar-Diesel für Landwirte zurücknimmt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellte am Mittwoch den Jahreswirtschaftsbericht mit einer deutlich auf nur noch 0,2 Prozent gesenkten Konjunkturprognose vor. Er betonte dabei die Bedeutung von Investitionsanreize für die Privatwirtschaft. „Dazu hat die Bundesregierung das Wachstumschancengesetz vorgeschlagen, das erste wichtige Impulse setzen soll“, erklärte Habeck.
Am Mittwochabend will der Vermittlungsausschuss über Lösungen im Streit um das Gesetz beraten. Der Bundestag stimmte bereits zu, die Länder hatten es im Bundesrat gestoppt, weil die geplanten Steuererleichterungen aus ihrer Sicht zu große Löcher in ihre Haushalte und die der Kommunen gerissen hätten. Die Koalition überarbeitete daraufhin das Gesetz und legte einen Entwurf vor, der statt den ursprünglich geplanten jährlich sieben nur noch drei Milliarden Euro an Entlastungen für die Wirtschaft vorsieht.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Schwesig, die derzeit der Länderkammer vorsitzt, lobte diese abgespeckte Version des Gesetzes. „Es liegt ein Kompromissvorschlag vor, den wir in Mecklenburg-Vorpommern sehr gut finden, weil die Kommunen nicht zu stark belastet werden“, sagte Schwesig im Deutschlandfunk und warb für einen Kompromiss. „Ich hoffe, dass alle aufeinander zugehen, denn wir brauchen generell in diesen Zeiten das politische Signal, dass wir uns über alle Parteigrenzen hinweg auch mal einigen können.“
Es seien „doch zurzeit alle angenervt in der Wirtschaft, in der Bevölkerung, dass es viel Streit gibt, aber zu wenig Lösungen“, sagte Schwesig weiter. „Wenn wir heute nicht zum Ergebnis kommen, wäre es kein gutes Signal.“ Auch in der überarbeiteten Version des Gesetzes seien „wichtige Punkte für die Wirtschaft“ weiterhin enthalten. „Ich gehe davon aus, dass viele SPD-Länder jetzt sagen: ‚Die Anrufung des Vermittlungsausschusses hat sich gelohnt und wir haben einen guten Kompromiss.'“
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft warnte indes vor dem in dem Gesetz geplanten frühzeitigen Auslaufen der Mehrwertsteuersenkung bei Gas und Wärme rückwirkend zum 1. Januar. „Aus Sicht der Energiewirtschaft sollte die vorgezogene Wiederanhebung im Vermittlungsausschuss fallen gelassen werden“, teilte der Verband mit. „Stattdessen sollte die Senkung der Mehrwertsteuer verlässlich und planbar wie gesetzlich vorgesehen Ende März auslaufen.“
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