Am Donnerstag traten ihre Vertreter dann auch wie angekündigt aus der Partei aus. Bei Teilen der Partei stieß dies auf Unverständnis. Der gesamte Bundesvorstand der Grünen Jugend habe sich „dazu entschieden, nicht erneut zu kandidieren“ und „aus der Partei auszutreten“, erklärten die Vorsitzenden der Grünen-Nachwuchsorganisation, Svenja Appuhn und Katharina Stolla, am Mittwochabend in einem Schreiben an führende Grünen-Vertreter. Es sei dauerhaft „nicht möglich, gleichzeitig Teil einer Partei zu sein und für eine grundsätzliche andere Politik zu werben als die eigene Partei umsetzt.“
Die Entscheidung zum Parteiaustritt sei bereits „in den letzten Wochen“ getroffen worden, also noch vor der Bekanntgabe des Rücktritts des Grünen-Bundesvorstands am Mittwoch, schrieben Appuhn und Stolla weiter. Ihr Brief ist unter anderem an die scheidenden Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour gerichtet.
Der Rücktritt des Grünen-Parteivorstands beweise zwar „zweifelsohne menschliche Größe“, erklärten Appuhn und Stolla. Sie gingen aber „nicht davon aus, dass eine personelle Neuaufstellung zu einer inhaltlichen und strategischen Neuausrichtung der Partei in unserem Sinne führen wird. Es ist besser, wenn sich unsere Wege jetzt trennen und ihr gut neu starten könnt.“
Lang und Nouripour sowie der gesamte Parteivorstand der Grünen hatten am Mittwoch ihren Rücktritt erklärt. Nach einer Serie schwacher Wahlergebnisse befänden sich die Grünen „in der tiefsten Krise seit einer Dekade“, begründete Nouripour den drastischen Schritt. Es brauche einen „Neustart“, um die Partei aus dieser Krise herauszuführen.
In ihrem Schreiben verwiesen Appuhn und Stolla auf eine Reihe von Konflikten mit der Partei, die sich in den letzten Jahren „immer weiter zugespitzt“ hätten – etwa beim Sondervermögen für die Bundeswehr, bei Asylrechtsverschärfungen oder beim Protest gegen die Räumung der Ortschaft Lützerath in Nordrhein-Westfalen wegen des Brauntagebergbaus.
Die Politik werde „nur noch von rechts getrieben“, kritisierten Appuhn und Stolla. Sie kündigten an, nach dem Bundeskongress der Grünen Jugend vom 18. bis 20. Oktober in Leipzig einen „neuen, dezidiert linken Jugendverband“ gründen zu wollen. Derzeit hat die Grüne Jugend rund 16.000 Mitglieder.
Die Ko-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, kritisierte den Parteiaustritt. Sie hätte „geraten, dass diejenigen, die jetzt die Grüne Jugend verlassen, dass die bleiben und für eine andere Politik werben“, sagte Dröge im Deutschlandfunk.
Harsche Kritik kam von der Bundestagsabgeordneten Renate Künast. „Da wundere ich mich nicht und da weine ich auch nicht“, sagte sie am Donnerstag dem RBB Inforadio. Für ihre Begriffe sei der Vorstand der Grünen Jugend „nicht realitätstauglich“ gewesen und habe „einen Klassensystem-Sozialismus aufbauen“ wollen. Sie glaube, dass es „viele junge Menschen in und um die Partei herum gibt, die sich jetzt vielleicht freier engagieren können bei den Grünen“.
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), sah eine Chance für einen Neuanfang bei der Jugendorganisation. „Es ist gut, wenn es hier einen Neustart gibt“, sagte Hofreiter der Zeitung „Welt“ (Freitagausgabe). Die Grüne Jugend müsse wieder „eine starke Stimme“ erhalten.
Die ehemalige Grüne-Jugend-Vorsitzende und derzeitige Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer bezeichnete die Austritte als „bedauerlich“. „Ich verstehe den Frust, aber nicht den Weg.“ Es brauche „gerade jetzt eine selbstbewusste Grüne Jugend, die sich in die Debatten in der Partei einmischt“, schrieb sie im Onlinedienst X. Ähnlich äußerte sich der ehemalige Vorsitzende Timon Dzienus.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Karoline Otte sah den Schritt auch als Signal an Vizekanzler Robert Habeck, der als möglicher Kanzlerkandidat der Grünen gilt. „Ich verstehe den Frust und den muss die Partei und den muss insbesondere jetzt Robert viel ernster nehmen“, sagte sie dem Nachrichtenportal t-online.
© AFP