Der CDU-Vorstoß für eine radikale Reform des Bürgergelds stößt bei SPD und Grünen auf scharfe Kritik. SPD-Chef Lars Klingbeil sprach von einem „Angriff auf den Sozialstaat“, Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann von „Populismus auf Kosten der Betroffenen“. Die CDU will das Bürgergeld „in der jetzigen Form abschaffen“ und durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzen. Ein entsprechendes Konzept, das auch die Erweiterung der Sanktionsmöglichkeiten vorsieht, soll der Parteivorstand am Montag beschließen.
„Grundsicherung steht nicht jedem zu, sondern ist eine Unterstützung für diejenigen, die ihren Lebensunterhalt nicht durch eigene Arbeit oder Vermögen bestreiten können“, heißt es in der AFP vorliegenden Beschlussvorlage. „Der Name ‚Bürgergeld‘ führt in die Irre und ist Ausdruck des politischen Konzepts eines bedingungslosen Grundeinkommens.“ Das lehne die CDU klar ab. Der „Ampel“ wird eine „schlechte Sozialpolitik“ bescheinigt. Diese „alimentiert und lähmt“ die Menschen, die Bereitschaft zur Solidarität werde geschwächt.
Die „große Mehrheit der Menschen in der Grundsicherung“ wolle arbeiten und versuche, das System zu verlassen. „Diese Menschen, die unsere Hilfe wirklich brauchen, müssen wir besser unterstützen“, heißt es in dem CDU-Konzept weiter. „Eine Minderheit, die sich nicht an die Regeln hält beziehungsweise diese ausnutzt, bringt das gesamte System in Verruf.“
Sanktionen sollten „schneller, einfacher und unbürokratischer“ durchgesetzt werden. Wenn ein arbeitsfähiger Grundsicherungsempfänger eine zumutbare Arbeit ablehne, solle künftig „davon ausgegangen werden, dass er nicht bedürftig ist – ein Anspruch auf Grundsicherung besteht dann nicht mehr“. ,Zudem soll künftig jeder, der zu Terminen im Jobcenter „ohne sachlichen Grund wiederholt nicht erscheint, zunächst keine Leistungen mehr bekommen“. Die einbehaltenen Leistungen sollen erst dann ausgezahlt werden, „wenn der Gesprächsfaden wieder aufgenommen wird“.
Auch die Vermögensregelungen sollen verschärft werden. Die CDU will die Karenzzeit von zwölf Monaten abschaffen und künftig wieder vom ersten Tag an eine Vermögensprüfung vornehmen. Die Grenzen für das sogenannte Schonvermögen sollen gesenkt werden. Der Missbrauch der Leistungen solle durch „einen vollständigen Datenaustausch zwischen den Sozial-, Finanz- und Sicherheitsbehörden“ besser bekämpft werden.
SPD-Chef Klingbeil sagte am Samstag in Berlin: „Der Union fällt nie etwas anderes ein als Angriffe auf den Sozialstaat.“ Sie spiele arbeitende Menschen gegen Menschen aus, „denen es gerade nicht so gut geht“. Klingbeil verwies auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgericht zur Sicherung des Existenzminimums. Es gebe keinen Grund, am Bürgergeld „zu rütteln“, betonte er.
SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast sagte der „Bild am Sonntag“, es gehe darum, „Menschen dauerhaft in gute Arbeit zu vermitteln“. Sie betonte: „Die Reform wirkt.“ Nie seien mehr Menschen in sozialversicherungspflichtiger Arbeit gewesen. Niemand wolle ein bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland, es gebe auch keines.
Wer sich total verweigere, dem werde das Geld gestrichen. Das Ziel sei die Vermittlung in dauerhafte Arbeit. „Darauf gibt die CDU keine einzige Antwort“, kritisierte Mast. „Stattdessen zementiert sie dauerhafte Armut für Kinder und Eltern – wie schäbig.“
Grünen-Fraktionschefin Haßelmann erklärte, der CDU-Vorstoß gehe „völlig an der Realität vorbei“. Die große Herausforderung für Wirtschaft, Handwerk und die Gesellschaft sei der große Fach- und Arbeitskräftemangel. „Daran müssen wir gemeinsam arbeiten, anstatt darüber zu fabulieren, wie man Bedingungen zum Bürgergeld verschärft“, betonte sie.
Grünen-Parteichefin Ricarda Lang sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montagsausgabe): „Die Union betreibt Panikmache auf dem Rücken der Verletzlichsten.“ Die Ampel-Koalition sei dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen, „das Bürgergeld existenzsichernd zu gestalten“. Dies sei auch mit den Stimmen der Union geschehen. Zudem zeigten Studien, dass sich Arbeiten weiterhin lohne. Lang warf der Union „Frontalangriffe auf den Sozialstaat“ vor.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der „Bild“-Zeitung vom Samstag, die CDU wolle „diejenigen unterstützen, die wirklich Hilfe brauchen“. Er fügte hinzu: „Wer arbeiten kann, aber nicht arbeiten geht, bekommt zukünftig keine Unterstützung mehr.“
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