Angesichts des demonstrativen Liebäugelns von Spitzenliberalen mit einem schwarz-gelben Bündnis haben SPD und Grüne die FDP zur Koalitionstreue ermahnt. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert rief die Koalitionspartner am Montag in Berlin auf, „sich nicht in eine ferne Zukunft zu träumen, die man sich vielleicht schöner erhofft als einem die Realität erscheint“. Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte, sie sehe „keinen Anlass“ für ein Ausscheiden der FDP aus dem Ampel-Bündnis. Die Liberalen wiesen derweil auf anhaltende Differenzen hin.
SPD-Generalsekretär Kühnert richtete einen Appell an die Koalitionspartner, ohne die FDP namentlich zu nennen. „Wir sind 2021 zur Wahl angetreten, um Verantwortung zu übernehmen – wir und die Koalitionspartner“, sagte er.
Kühnert fügte hinzu: „Die Themen dieser Tage – internationale Entwicklung, wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, gesellschaftlicher Zusammenhalt – sollten jeden Akteur und jede Akteurin in der Ampel dazu bringen, die gesamte Arbeitszeit darauf zu verwenden, diese Probleme zu beheben.“ Die Koalition sei „gewählt, um Verantwortung zu übernehmen und nicht die Nation mit Debatten über Sachen in zwei Jahren zu belästigen“.
Grünen-Chefin Lang äußerte Unverständnis über die Diskussion. „Wir stehen zu der Koalition bis 2025, und ich gehe davon aus, dass das bei allen Parteien der Fall ist“, sagte sie in Berlin.
Djir-Sarai hatte der „Bild am Sonntag“ gesagt, dass für ihn am ehesten eine Koalition aus Union und FDP „in der Lage wäre, die Probleme des Landes nicht nur gemeinsam richtig zu analysieren, sondern tatsächlich auch gemeinsam Lösungen zu finden“. Am Montag verteidigte er seine Äußerungen: Gerade in der Wirtschaftspolitik sehe er „viele Schnittmengen mit der Union“, sagte er. In der Ampel-Koalition sehe er weniger Schnittmengen. Djir-Sarai sprach von drei Parteien, „die offensichtlich oft unterschiedliche Vorstellungen haben“.
Aus der FDP erhielt der Generalsekretär Rückendeckung. „Ein Wirtschaftspaket wäre zwischen FDP und Union so wahrscheinlich schneller und einfacher geeint als mit SPD und Grünen“, sagte Vizefraktionschef Christoph Meyer der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. „In der Koalition gibt es zur Stärkung von Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit unterschiedliche Ansichten, das ist unbestritten.“
CDU-Chef Friedrich Merz reagierte zurückhaltend auf die Avancen aus der FDP. „Die FDP trägt unverändert Verantwortung für die Ergebnisse dieser Regierung“, sagte Merz in Berlin. „Wenn sie daran etwas ändern will, dann muss sie nicht nur Interviews geben, sondern sie muss auch Taten folgen lassen.“ Die FDP habe nun die Aufgabe, bei der nächsten Bundestagswahl aus eigener Kraft dafür zu sorgen, „dass wir eine rechnerische Mehrheit haben“, sagte der CDU-Chef – und fügte hinzu: „Dann könnten wir sprechen.“
© AFP