„Ich glaube, dieser Verantwortung, die aus diesem Begriff erwächst, sind wir nicht gerecht geworden“, sagte Roth am Montag im Deutschlandfunk mit Blick auf „dieses schmerzhafte Jahr“ in Nahost. Deutschland und Europa hätten es „nicht vermocht, einen empathischen Zugang zu einem schwer traumatisierten Volk zu finden“, sagte Roth.
Der Begriff der Staatsräson sei vielleicht „eine Ausrede für manche, weil er so technokratisch daherkommt, sich nicht empathisch Israel zuzuwenden“, sagte der SPD-Außenpolitiker am Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel. Er habe bisweilen den Eindruck, „wir verstecken uns hinter diesem juristisch durchtränkten, kalten Begriff der Staatsräson“. Roth schlug stattdessen vor: „Warum sind wir nicht einfach Freundinnen und Freunde? Das ist ein Begriff, mit dem können die Menschen etwas anfangen.“
Mit Blick auf israelfeindliche Demonstrationen und Veranstaltungen etwa an Hochschulen in Deutschland kritisierte Roth die gesellschaftlichen Debatten hierzulande. Diese seien in Teilen von „blankem Israelhass“ und „blankem Hass auf Jüdinnen und Juden“ geprägt. Er habe den Eindruck, „dass man nach wie vor nicht in der Lage ist, die schwere Traumatisierung und den Schmerz Israels angemessen nachzuvollziehen“.
Geprägt hatte den Begriff der Staatsräson die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Er ist gesetzlich oder verfassungsrechtlich nicht genau definiert und nicht bindend. Die Ampel-Parteien hatten 2021 in ihrem Koalitionsvertrag ein Bekenntnis zum Begriff Staatsräson verankert.
Bei dem Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres waren nach israelischen Angaben rund 1205 Menschen getötet worden. Zudem verschleppte die Hamas 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. 97 der Geiseln werden weiterhin festgehalten, von denen allerdings 33 von Israel offiziell für tot erklärt wurden.
Israel geht seit dem Hamas-Überfall massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bisher mehr als 41.800 Menschen getötet.
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