In der Debatte um Steuererleichterungen für Unternehmen drängt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Partner in der Ampel-Koalition dazu, noch in diesem Monat erste Vorschläge vorzulegen. „Der Standort ist nicht mehr wettbewerbsfähig“, sagte Lindner dem „Handelsblatt“ vom Dienstag. Die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angestoßene Diskussion über die Senkung von Unternehmenssteuern sei deshalb „überfällig“. Lindner plädierte für die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich jedoch zurückhaltend.
Lindner will den Jahreswirtschaftsbericht, der am 21. Februar vorgestellt werden soll, für neue Vorschläge zur Stärkung des Standorts nutzen. „Durch die Debatte ist dieser Vorgang politisch aufgewertet“, sagte der FDP-Chef. Da die Länder keine Einnahmeverluste hinnehmen würden, wäre „ein Auslaufen des Solidaritätszuschlags eine realistische Reaktion auf die steuerliche Standortanalyse, die Robert Habeck und ich teilen.“
Bundeskanzler Scholz hatte sich am Montagabend zurückhaltend zu der Debatte gezeigt. Er forderte, sich zunächst darauf zu konzentrieren, das bereits im Bundestag beschlossene Wachstumschancengesetz durch das Vermittlungsverfahren mit dem Bundesrat zu bekommen. „Das ist praktisch, anfassbar und wirkt schnell“, sagte Scholz. Das Wachstumschancengesetz soll Unternehmen jährlich um rund sieben Milliarden Euro entlasten.
SPD-Chef Lars Klingbeil sprach sich statt einer Steuersenkung für mehr Investitionen aus. „Es ist gut, dass Christian Lindner und Robert Habeck als zuständige Minister daran arbeiten, die wirtschaftliche Lage in Deutschland weiter zu verbessern und zusätzliche Investitionen zu ermöglichen“, sagte Klingbeil den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Fokus sei klar: „Wir wollen gut bezahlte Jobs sichern und Impulse setzen, damit hier in Deutschland auch neue Arbeitsplätze der Zukunft entstehen“, sagte Klingbeil.
Seit vergangener Woche diskutiert die Ampel-Koalition darüber, wie Unternehmen steuerlich entlastet werden können. Wirtschaftsminister Habeck sprach sich für eine Reform der Unternehmenssteuer aus und will dies mit neuen Schulden finanzieren. Finanzminister Lindner lehnt dies ab und forderte die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, den auch Unternehmen bezahlen.
Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Meyer, unterstützte Lindners Plan und nannte einen „Kurswechsel“ zu einer wirtschaftsfreundlichen Entlastungspolitik „überfällig“. „Durch Steuerentlastungen und Bürokratieabbau gelingt uns der Weg zurück zur Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Meyer der Nachrichtenagentur AFP. „Wir erwarten, dass sich alle Regierungspartner hinter die Entlastung der deutschen Wirtschaft stellen.“
Auch der Bund der Steuerzahler und die Industrie- und Handelskammer (DIHK) halten die Soli-Abschaffung für richtig. Die Forderung gehe aber nicht weit genug, sagte Steuerzahlerbund-Präsident Reiner Holznagel den Funke-Zeitungen. „Der Soli sollte komplett und für alle fallen.“ Auch viele Facharbeiter und Fachangestellte würden diesen noch zahlen.
DIHK-Präsident Peter Adrian nannte eine vollständige Soli-Abschaffung oder eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes „wichtige Entlastungssignale“. Nach wie vor zahlten alle etwa 800.000 Kaptalgesellschaften den Soli, aber auch viele Einzelunternehmen und Personengesellschafter, wenn ihr Einkommen die gesetzten Grenzen überschreite, sagte Adrian den Funke-Zeitungen. Die Wirtschaft brauche „dringend positive Steuerimpulse.“
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), warf der Bundesregierung ökonomische Handlungsunfähigkeit vor. „Jetzt haben wir es vom Finanz- und vom Wirtschaftsminister quasi amtlich: die Politik der Ampel führt zu Rezession und roter Laterne“, sagte Spahn der „Bild“-Zeitung.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung warnte dagegen vor einer Streichung des Soli: Diese wäre „keine gezielte Unternehmensförderung und erst recht keine Investitionsförderung. Sie käme neben Unternehmen auch Spitzenverdienenden zugute“, sagte IMK-Forscherin Katja Rietzler der „Rheinischen Post“ vom Dienstag. „Sie würde 2024 über zwölf Milliarden kosten, keine Investitionen garantieren und Verteilungskonflikte verschärfen.“
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