Angesichts kritischer Fragen auch an die Rolle von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gab es am Montag aus der SPD-Spitze Aufrufe zur Geschlossenheit. Einige FDP-Politiker stellten die Regierungsbeteiligung ihrer Partei offen in Frage. In der Union wird eine baldige Entscheidung über eine Kanzlerkandidatur erwartet.
Scholz wertete die Wahlergebnisse für seine Partei von jeweils unter zehn Prozent als „bitter“. Er pochte auf eine weiterhin klare Abgrenzung zur AfD: „Alle demokratischen Parteien sind nun gefordert, stabile Regierungen ohne Rechtsextremisten zu bilden“, betonte der Kanzler bei Facebook.
Juso-Chef Philipp Türmer wollte sich nicht auf Scholz als Kanzlerkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl 2025 festlegen. Zunächst müssten Inhalte der Partei geklärt werden, erst dann „auch Personalfragen“, sagte er RTL und ntv. Parteichefin Saskia Esken betonte hingegen: „Olaf Scholz ist unser starker Bundeskanzler und er wird unser starker Kanzlerkandidat sein.“
Die Grünen werteten die Ergebnisse der Landtagswahlen als „historische Zäsur“ und riefen zur Verteidigung der Demokratie auf. Parteichefin Ricarda Lang räumte ein, es sei der Ampel-Regierung nicht gelungen, „eine neue Stabilität in diesem Land zu verankern“. Künftig müssten die Regierungsparteien vor allem stärker die „soziale Sicherheit nach vorn stellen“. Auch der Klimaschutz müsse „sozialer werden“.
Die FDP machte für ihren Absturz das schlechte Image der Ampel-Koalition verantwortlich. „Die FDP befindet sich in der Defensive als Teil einer Koalition, die bei den Bürgern äußerst unbeliebt ist“, sagte Parteichef Christian Lindner. Gleichwohl will er an dem Regierungsbündnis festhalten. Ein rasches Ende der „Ampel“ forderte Thüringens gescheiterter FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich.
In der Union waren die Wahlen ein wichtiger Stimmungstest für CDU-Chef Friedrich Merz vor der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur der Union. Dass er hier womöglich nicht unangefochten ist, machte CSU-Chef und Bayerns Regierungschef Markus Söder klar: „Für mich ist Ministerpräsident das schönste Amt, aber ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen“, sagte er. CDU-Chef Friedrich Merz reagierte gelassen auf die Wortmeldung aus Bayern: „Die Äußerung von Markus Söder hat keinen Neuigkeitswert.“
Söder und Merz bekräftigten, dass sie sich in der Frage der Kanzlerkandidatur untereinander verständigen werden. „Wir haben vereinbart, das wir das im Spätsommer miteinander besprechen“, sagte Merz – und fügte hinzu: „Der Spätsommer hat angefangen, er ist aber noch nicht zu Ende.“ Erwartet wird eine Entscheidung nach der Wahl am 22. September in Brandenburg.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sah im Ausgang der Landtagswahlen eine Folge der Politik der „Ampel“. Diese sei „zu Recht abgestraft“ worden, weil sie an den Menschen vorbei regiere, sagte sie. Wagenknecht, die mit ihrem BSW in beiden Ländern zweistellige Werte einfuhr, legte Scholz nahe, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen.
Linken-Chef Martin Schirdewan warnte seine Partei nach den herben Einbußen und dem absehbaren Verlust des Ministerpräsidentenpostens in Thüringen davor, „in Panik zu verfallen“. Die Linke müsse das Ergebnis „mit Demut und Respekt“ annehmen und sich nun erneuern.
AfD-Chefin Alice Weidel erhob für ihre Partei den Anspruch auf Regierungsbeteiligungen. „Der Wähler hat uns in Thüringen und Sachsen einen klaren Regierungsauftrag gegeben“, sagte sie. Die Brandmauer der Union sei undemokratisch, das Wählervotum dürfe nicht ignoriert werden.
Die CDU sieht sich nun in der Verantwortung, gegen die in beiden Ländern als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD stabile Regierungen zu bilden. Sie liegt in Sachsen knapp vor der AfD, in Thüringen deutlich dahinter. Parteichef Merz erneuerte auch die generelle Absage seiner Partei an eine Zusammenarbeit mit der Linken. „Der Beschluss gilt“, sagte Merz. Allerdings ließ er durchblicken, dass er den Landesverbänden Spielraum bei der Ausgestaltung lässt.
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