Vor den mit Spannung erwarteten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), die geringe Parteienbindung in Ostdeutschland beklagt. Das spiele der AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in die Hände, die dort hohe Zustimmungswerte haben, sagte er am Samstag im Deutschlandfunk. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt (Grüne) zeigte sich angesichts befürchteter bitterer Verluste für ihre Partei in den beiden Ländern kämpferisch.
„Es gibt viele Menschen, die kennen niemanden, der Mitglied in einer Partei ist“, sagte Schneider über die Bevölkerung in Ostdeutschland. Die Menschen befänden sich aufgrund ihrer negativen Erfahrungen in der DDR eher in einer „politischen Zuschauerstellung“. Sie gingen zwar zur Wahl, aber sie beteiligten sich nicht am Diskussionsprozess. Viele Menschen seien außerdem „abgedriftet“ in Kanäle, in denen Fake News kursierten.
AfD und BSW wiederum versuchten, sehr präsent zu sein und profitierten von einer „Empörungswelle“, weil sie nicht in Regierungsverantwortung stünden. Die AfD etwa mache „keine Parlamentsarbeit, sondern die sind die ganze Zeit auf den Dörfern und in den Kleinstädten unterwegs“, sagte Schneider. Das politische Angebot einer „rechtsextremistischen“ Partei falle dann in Teilen auf fruchtbaren Boden. Er hoffe, dass es wieder gelinge, „das zu stabilisieren“.
In Sachsen und Thüringen wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt. In den Umfragen lieferten sich zuletzt in Sachsen die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer und die AfD ein enges Rennen. Offen ist, ob die bisherige Koalition aus CDU, SPD und Grünen weiterhin eine Mehrheit hat.
In Thüringen lag die AfD in den Umfragen zuletzt deutlich vor der CDU, gefolgt vom BSW und der Linkspartei. Für die derzeit in Thüringen regierende rot-rot-grüne Koalition von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) gibt es keine Mehrheit.
SPD-Chefin Saskia Esken bezeichnete die hohen Umfragewerte für AfD und BSW als „erschreckend“ und mit Blick auf das BSW auch als „erstaunlich“. „Die Leute können ja noch gar nicht wissen, was da auf sie zukommt und sind offenbar bereit, die Katze im Sack zu kaufen. Mehr als die Person der Namensgeberin ist gar nicht zu erkennen“, sagte sie der „Augsburger Allgemeinen“ mit Blick auf Wagenknecht.
Die Grünen müssen in den beiden Bundesländern nicht nur um einen Verlust der Regierungsbeteiligung, sondern um den Wiedereinzug ins Parlament bangen. Auf die Frage nach ihrem Befinden sagte Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt dem Bayerischen Rundfunk: „Mir geht es so, dass ich jetzt noch diese Stunden Zeit habe dafür zu kämpfen, dass das nicht geschieht.“
Auch Alt-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) blickt mir Sorge nach Sachsen und Thüringen. Bisher seien extremistische Parteien in Deutschland eher kleine Parteien, sagte er dem Portal „Zeit Online“. „Jetzt könnte es eine Größe annehmen, die gefährlich ist. Eine hinreichend starke AfD kann die demokratischen Institutionen verändern und zerstören, also die Demokratie in ihren Grundfesten erschüttern.“ An die Wählerinnen und Wähler gerichtet mahnte er, nicht diejenigen zu wählen, „die einfache Lösungen und Wunder versprechen“.
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