Als Auslöser nannte der aktuelle Bundeslandwirtschafts- und Bildungsminister der Funke Mediengruppe vom Donnerstag seinen Einsatz für die Armenien-Resolution des Bundestages aus dem Jahr 2016. Darin wird das Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs als Völkermord bezeichnet.
Die Resolution habe sein Leben „in ein Davor und ein Danach verändert“, sagte Özdemir im Funke-Podcast „Meine schwerste Entscheidung“. Ihm sei klar gewesen, „das wird einschneidende Konsequenzen haben“. Er habe auch Teile seines Berliner Wohnviertels Kreuzberg meiden müssen. Özdemir berichtet, von Taxifahrern bedrängt worden zu sein, die offenbar türkische Nationalisten gewesen seien.
Türkische Nationalisten hätten „Filme ausgestrahlt, in denen auch meine damalige Frau, meine Kinder erwähnt wurden“, sagte Özdemir. Freunde in der Türkei hätten ihm damals geraten, dies „verdammt ernst“ zu nehmen. Bei seiner Familie in der Türkei sei er seit 2016 nicht mehr gewesen. „Ich konnte zum Beispiel zur Beerdigung meines Onkels nicht gehen“, sagte Özdemir. Das Risiko sei zu hoch gewesen.
Um seine Familie in Deutschland zu schützen, habe er zusammen mit seinen beiden Kindern einen Kurs im Selbstverteidigungssystem Krav Maga gemacht. „Wenn jemand kommt, ein Selfie möchte, der jetzt offensichtlich türkische Herkunft ist, dann gehen meine Kinder automatisch etwas weg von mir, auch aus Sicherheitsgründen“, sagte er.
Auf notwendige Sicherheitsvorkehrungen sei er zunächst nicht hingewiesen worden, kritisierte Özdemir. Die Sicherheitsbehörden hätten sich erst nach einer Intervention des damaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) bei ihm gemeldet. Er denke sich gelegentlich: „Wenn die Bösen wüssten, wie die Guten bei uns arbeiten, besser so, dass sie vielleicht nicht alles wissen“, sagte er lakonisch.
Özdemir kam 1965 als Sohn türkischer Einwanderer im schwäbischen Urach zur Welt. Seine Eltern waren Anfang der 60er Jahre als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. 1994 zog Özdemir als erstes Kind türkischer Gastarbeiter in den Bundestag ein. 2021 wurde er als erstes Kind türkischer Gastarbeiter Bundesminister. Zuletzt kündigte er an, Anfang 2026 bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg als Spitzenkandidat für die Grünen antreten zu wollen.
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