Ein weiteres Thema sorgt für Diskussionen innerhalb der Ampel-Koalition: Grüne und FDP sind sich zwar einig darin, Unternehmen steuerlich entlasten zu wollen. Streit gibt es aber über den Vorschlag von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), dafür den Solidaritätszuschlag für Unternehmen abzuschaffen. SPD-Chefin Saskia Esken hält den Plan nicht für finanzierbar, wie sie am Montag nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums in Berlin sagte. Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang lehnt den Vorschlag ab.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich in der vergangenen Woche für eine Reform der Unternehmenssteuer ausgesprochen, um Betriebe in Deutschland zu entlasten. Dazu brachte er ein Sondervermögen zur Entlastung von Wirtschaft und Unternehmen in die Diskussion. „Auch ich sehe, dass wir in der Summe eine Unternehmensbesteuerung haben, die international nicht mehr wettbewerbsfähig und investitionsfreundlich genug ist“, sagte Habeck dann der „Welt am Sonntag“.
Finanzminister Lindner schlug daraufhin eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags für Unternehmen vor. Bei der Analyse der Lage sei er sich mit Habeck einig, sagte Lindner am Sonntagabend in der ARD. „Wenn wir wirklich etwas an den Steuersätzen tun wollen“, dann sei „der einfachste und schnellste Weg, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen“.
Den Plan kritisierten am Montag die Vorsitzenden von SPD und Grünen. Es gehe dabei um 30 Milliarden Euro, die durch solch einen Schritt im Bundeshaushalt fehlen würden, sagte SPD-Chefin Saskia Esken. Sie sei der Auffassung, dass dies im Haushalt nicht gegenfinanziert werden könne. „Insofern sehe ich die Tauglichkeit dieses Vorschlags nicht.“
Die Grünen-Vorsitzende Lang sagte, dass die Abschaffung des Solidaritätszuschlags nicht für die nötigen privaten und öffentlichen Investitionen sorgen würde. Ihr Parteikollege Habeck habe einen „konkreten Vorschlag“ gemacht, wie das gelingen könne.
Unterstützung bekam Lindner am Montag aus den Reihen seiner eigenen Partei. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nannte den Vorschlag „sinnvoll“. „Das wäre auch etwas, was nicht den Ländern zur Last fallen würde, sondern das ist etwas, was allein der Bund dann letztendlich regeln müsste“, sagte Djir-Sarai den Sendern RTL und ntv. Den Vorschlag Habecks eines Sondervermögens wies Djir-Sarai zurück: „Das sind Schulden. Davon halten wir wenig.“
Ein Ministeriumssprecher sagte, es stehe „eine Reihe von Vorschlägen im Raum“, aus denen ein „Gesamtpaket“ gebildet werden müsse. „Dann wird über eine Gegenfinanzierung zu sprechen sein aus den Mitteln, die dafür zur Verfügung stehen“. Er sehe „eine größere Einigkeit, dass man zu Maßnahmen kommen muss“.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) positionierte sich zunächst nicht. Er nehme „die aktuellen politischen Wortmeldungen“ aber „aufmerksam zur Kenntnis“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Natürlich sei aber eine wettbewerbsfähige Wirtschaft Ziel des Kanzlers.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte indes eine umfassende Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. „Eine Unternehmenssteuerreform allein bringt doch gar nichts“, sagte Linnemann am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Nötig seien eine „Agenda 2030“, eine „Staatsreform“ und ein „Mentalitätswandel“.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Leif-Erik Holm nannte Steuererleichterungen für Unternehmen „dringend notwendig“. Diese dürften aber nicht auf Pump durch „als Sondervermögen getarnte neue Schulden finanziert werden“, sagte Holm am Sonntag dem Sender Welt TV.
Den Solidaritätszuschlag bezahlen seit einer Steuerreform im Jahr 2021 nur noch Unternehmen und Bezieher hoher Einkommen oberhalb eines Freibetrags. Nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) wird der Staat in diesem Jahr zwölf Milliarden Euro durch den Solidaritätszuschlag einnehmen. Sieben Milliarden davon zahlen demnach Unternehmen. „Die Abschaffung des Rest-Solis ist überfällig“, betonte IW-Präsident Michael Hüther. „Er ist im Grunde eine verkappte Unternehmenssteuer.“
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