CDU-Chef Friedrich Merz hat neue Bewegung in den stockenden deutsch-französischen Beziehungen gefordert. Diese hätten wirtschaftlich, geopolitisch und kulturell ein großes Potenzial. „Um diesen Schatz zu heben, müssen wir offen aufeinander zugehen“, sagte Merz am Dienstag in einem AFP-Gespräch. Europa brauche ein starkes Frankreich und ein starkes Deutschland, die „gemeinsam für unseren Kontinent Verantwortung übernehmen“.
Er hätte sich etwa eine deutsch-französische Initiative gewünscht, die eine europäische Unterstützung der Ukraine auch ohne Ungarn weiter garantiere. Mit Blick auf die Ukraine teile er viele Sichtweisen Frankreichs, sagte Merz am Vortag seines Besuchs in Paris, wo er von Präsident Emmanuel Macron empfangen wird: „Richtigerweise liefert Frankreich auch Marschflugkörper, während die deutsche Bundesregierung eine Lieferung der Marschflugkörper vom Typ Taurus weiterhin verweigert.“
Die gemeinsamen Rüstungsvorhaben mit Frankreich, etwa der Kampfjet FCAS und der Kampfpanzer MGCS, seien „wichtige Bausteine auf dem Weg zu einem souveränen Europa“. Vor dem Hintergrund des Atomausstiegs in Deutschland begrüßte Merz die französische Atompolitik und warf der Bundesregierung vor, „die Kernenergie in ganz Europa verhindern“ zu wollen, „gleichzeitig aber Atomstrom aus Frankreich importieren“ zu müssen. „Der positive Beitrag von Kernkraftwerken zur CO2-Bilanz ist unbestreitbar“, betonte er.
Die Entscheidung der Bundesregierung zum Atomausstieg sei falsch gewesen. „Wir brauchen zugleich sichere, saubere und bezahlbare Energie. Wind und Sonne allein werden das so schnell nicht leisten können“, sagte Merz. Erst eine Kombination mit Atomenergie bringe seiner Ansicht nach die CO2-Bilanz in Ordnung.
Die Freundschaft mit Frankreich sei ihm ein „Herzensanliegen“, sagte Merz. Zu keinem anderen europäischen Land habe er eine solche „emotionale Bindung“. Daher halte er auch die Schließung der Goethe-Institute für einen Fehler. Die Institute machten „die besondere deutsch-französische Beziehung für sehr viele Menschen konkret erlebbar“.
Die aktuelle Debatte in Frankreich über die medizinische Versorgung von Asylbewerbern verfolgt Merz nach eigenen Worten mit großem Interesse. „Ich habe mit meiner Bemerkung zu den Zahnärzten offensichtlich sprichwörtlich einen Nerv getroffen“, sagte er in Anspielung auf eine Äußerung, mit der er im September Aufsehen erregt hatte. ,Der CDU-Vorsitzende hatte damals in einer Talkshow gesagt, dass abgelehnte Asylbewerber beim Arzt sitzen und „sich die Zähne neu machen“ lassen würden, während „die deutschen Bürger nebendran“ keine Termine bekämen. Diese Aussage hatte eine Debatte ausgelöst. Tatsächlich bekommen Asylbewerber nur Zahnersatz, wenn dies aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.
Merz will in Paris zunächst mit dem Republikaner-Vorsitzenden Eric Ciotti zusammentreffen. Anschließend ist ein Treffen mit Macron im Elysée-Palast geplant. Es ist durchaus üblich, dass der französische Präsident Kontakt zu deutschen Oppositionspolitikern hat. Umgekehrt hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Macron empfangen, als dieser noch Präsidentschaftskandidat war. ,In den deutsch-französischen Beziehungen hatte es zuletzt immer wieder geknirscht. Ein Dauerkonflikt ist die Energiepolitik, nicht nur wegen des unterschiedlichen Umgangs mit Atomenergie, sondern auch mit Blick auf EU-Subventionen für die jeweils eigene Stromindustrie.
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