Die jüngste Äußerung von Maximilian Krah zur SS war wohl auch für seine Partei zu viel: Die AfD-Spitze hat am Mittwoch gegen ihren umstrittenen EU-Spitzenkandidaten ein Auftrittsverbot verhängt, dieser kündigte zugleich seinen Rückzug aus dem Bundesvorstand der Partei an. Krah bleibt aber Spitzenkandidat und wird die AfD somit in die Europawahl am 9. Juni führen. Zuvor hatten die französischen Rechtspopulisten die Zusammenarbeit mit der AfD im EU-Parlament aufgekündigt. Wie es dort für die Partei nach der Wahl weitergeht, ist offen.
Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla sprachen am Mittwoch in einem gemeinsamen Statement nach einer Telefonkonferenz des Bundesvorstands von einem „massiven Schaden für die Partei im laufenden Wahlkampf“. Krah habe dafür „den Vorwand geliefert“. Das Auftrittsverbot gilt nun für alle Wahlkampfveranstaltungen und für andere Veranstaltungen der Bundespartei, wie ein Sprecher bestätigte. In dem offiziellen Statement der Parteivorsitzenden hieß es allerdings lediglich, es sei in den Gremiensitzungen mehrheitlich begrüßt worden, dass Krah auf weitere Auftritte verzichten wolle.
Der 47-Jährige kündigte zudem an, aus dem Bundesvorstand der Partei zurückzutreten. „Das Letzte, was wir derzeit brauchen, ist eine Debatte um mich. Die AfD muss ihre Einigkeit bewahren“, sagte er der „Welt“. „Aus diesem Grunde verzichte ich ab sofort auf weitere Wahlkampfauftritte und trete als Mitglied des Bundesvorstands zurück.“ Krah sagte weiter: „Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand.“
Auslöser dieses Vorgangs sind umstrittene Äußerungen Krahs am Wochenende. Dieser hatte der italienischen Zeitung „La Repubblica“ gesagt, nicht jeder SS-Mann sei ein Verbrecher gewesen. In Frankreich wurden die Aussagen als Verharmlosung der Nazizeit verstanden. Die französische Rechtsaußen-Partei Rassemblement National (RN) kündigte daraufhin an, die Kooperation mit der AfD einzustellen, mit der zusammen sie bisher im EU-Parlament in der Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) sitzt.
Seit langem schon gilt Krah als Vertreter des rechten AfD-Flügels, immer wieder sorgte er mit EU-feindlichen und völkisch-nationalistischen Thesen sowie Aussagen zu Geschlechter-Rollen für Empörung. Die Videoplattform Tiktok drosselte die Reichweite seines bis dahin sehr erfolgreichen Accounts. Bei einer Rede in Dresden bezeichnete Krah die Europäische Union als „Irrenhaus“.
Die RN-Politikerin Marine Le Pen sagte den Sendern CNews und Europe 1 nun: „Die AfD bewegt sich von einer Provokation zur nächsten.“ Es sei Zeit, „den Bruch mit dieser Bewegung zu vollziehen, die keine Führung hat und die eindeutig unter dem Einfluss radikaler Gruppen in ihren Reihen steht“. Le Pen kritisierte damit nicht nur Krah, sondern auch die AfD-Parteispitze.
Unstimmigkeiten zwischen den Parteibüros in Paris und Berlin gab es bereits Anfang des Jahres nach den Medienberichten über das Potsdamer Treffen zur „Remigration“, an dem auch AfD-Politiker teilgenommen hatten. Le Pen distanzierte sich schon damals von der AfD. Ein Gespräch zwischen ihr und Weidel in Paris konnte den Zwist nicht final beilegen.
Auch die mutmaßlichen Verstrickungen von Krahs langjährigem, inzwischen verhafteten Mitarbeiter Jian G. überschatten den Wahlkampf. Die Parteiführung schloss den Spitzenkandidaten zunächst vom Wahlkampfauftakt aus. Später trat Krah dann wieder öffentlich auf, nun soll aber auch damit Schluss sein.
Neben Krah steht auch der Listenzweite und Bundestagsabgeordnete Petr Bystron unter Druck, der nun ebenfalls ankündigte, vorerst auf Wahlkampfauftritte zu verzichten. Dies habe familiäre Gründe, sagte Bystron dem Bayerischen Rundfunk. Ein Parteisprecher bestätigte die Aussagen. Wie lange er sich zurückziehe, ließ Bystron offen.
Gegen Bystron stehen Anschuldigungen der Geldannahme aus Russland im Raum. Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchten wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern und Geldwäsche seine Büros im Bundestag sowie Privaträume. Die AfD-Führung forderte Bystron auf, keinen Wahlkampf mehr zu machen.
Wie es für die AfD in Straßburg weitergeht, ist noch unklar. Derzeit sitzt sie mit neun Abgeordneten im Parlament, zur ID-Fraktion gehört neben dem RN auch die italienische Lega und die österreichische FPÖ.
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