Kontroverse Debatte nach Barley-Äußerungen zu EU-Atomwaffen

Die SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl, Katarina Barley, hat mit einer Äußerung zu EU-eigenen Atomwaffen eine kontroverse Debatte ausgelöst.

Die SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl, Katarina Barley, hat mit einer Äußerung zu EU-eigenen Atomwaffen eine kontroverse Debatte ausgelöst. Auf dem Weg zu einer europäischen Armee könne „auch das ein Thema werden“, sagte sie dem „Tagesspiegel“ vom Dienstag. Denn „angesichts der jüngsten Äußerungen von Donald Trump“ zur Nato sei auf den atomaren Schutz durch die USA „kein Verlass mehr“.

Derzeit liege die nukleare Abschreckung für Europa bei der Nato, sagte Barley. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg habe richtig bemerkt, dass es weiter im Interesse der USA liege, „diese maßgeblich bereitzustellen“.

Trump, der im November erneut US-Präsident werden will, hatte am Samstag bei einer Kundgebung gesagt, er würde Nato-Ländern bei einem Angriff nicht zu Hilfe kommen, die nicht genug für Verteidigung ausgäben. Er würde dann Russland sogar ermutigen mit ihnen zu tun, „was immer sie wollen“.

Linken-Chef Marin Schirdewan kritisierte die Äußerungen Barleys scharf; der SPD warf er „Säbelrasseln“ vor. „Die richtige Antwort auf Trumps Unsinn ist nicht atomare Aufrüstung, sondern eine Politik der Deeskalation und zivilen Konfliktlösung“, sagte Schirdewan, der Spitzenkandidat seiner Partei für die Europawahl ist, der Nachrichtenagentur AFP.

„Mehr Atombomben machen die Welt nicht sicherer“, betonte er. „Im Gegenteil, mit allen Atombomben, die es derzeit gibt, kann man die Welt mehr als 150-mal auslöschen.“ Statt über mehr Atombomben nachzudenken, forderte er die SPD-geführte Bundesregierung auf, endlich den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen.

Auch parteiintern stießen die Äußerungen von Barley auf Kritik. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner bezeichnete den Vorstoß für gemeinsame europäische Atomwaffen als „brandgefährliche Eskalation“. Gegenüber dem „Tagesspiegel“ betonte er: „Eine europäische Atommacht braucht es nicht – sie wäre das Gegenteil von europäischer Sicherheit.“

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) forderte derweil Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, sich zu den Äußerungen von Barley zu positionieren. Der Kanzler müsse für Klarheit sorgen, sagte er dem „Tagesspiegel“: „Ist das die Position der Bundesregierung und seiner Partei?“ Der CDU-Politiker wollte weiter wissen, wie das angesichts der völkerrechtlichen Bindung Deutschlands überhaupt realisiert werden solle und ob das mit Frankreich, das als einziges EU-Land Atomwaffen besitzt, abgesprochen sei.

Offen für einen europäischen Nuklearschirm zeigte sich hingegen der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber. „Europa muss militärisch so stark werden, dass sich keiner mit uns messen will“, sagte er der „Bild“-Zeitung. „Dies bedeutet, wir brauchen Abschreckung. Zur Abschreckung gehören Nuklearwaffen.“

Die bisherige Struktur mit den beiden Atommächten Frankreich und Großbritannien reicht dem CSU-Politiker dabei nicht aus. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe bereits ein vages Angebot gemacht, über die Bedeutung der französischen Nuklearstreitkräfte für Europa zu sprechen. „Jetzt, da Donald Trump die Rolle der USA als Schutzmacht offen in Frage stellt, wäre der richtige Moment dafür“, betonte Weber. Mit Großbritannien forderte er ebenfalls „ein neues Kapitel der Zusammenarbeit“.

Für die Prüfung einer verstärkten Zusammenarbeit mit den europäischen Nuklearmächten Frankreich und Großbritannien plädierte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Solange es Nuklearwaffen auf der Welt gibt, wird auch Europa an einem System der nuklearen Abschreckung festhalten müssen, um nicht schutzlos der Erpressung autoritärer Staaten ausgeliefert zu sein.“

Dazu tragen laut Lindner sowohl die USA als auch Frankreich und Großbritannien bei. Macron habe verschiedentlich Kooperationsangebote vorgetragen. „Die jüngsten Äußerungen von Donald Trump sollten wir als Aufforderung verstehen, dieses Element europäischer Sicherheit unter dem Dach der Nato weiterzudenken“, schreibt Lindner. Zu klären gelte es, unter welchen Bedingungen Paris und London dazu bereit seien. Der FDP-Politiker betonte: „Wenn es um Frieden und Freiheit in Europa geht, dürfen wir diese schwierigen Fragen nicht scheuen.“
© AFP

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