„Es wird jetzt eine zügige Entscheidung geben“, sagte Parteichef Lars Klingbeil am Mittwoch der „Bild“. Einen konkreten Termin nannte Klingbeil nicht. Er sagte lediglich: „Wir werden in den nächsten Tagen sehr viel miteinander reden – und dann gibt es eine Entscheidung.“ Klingbeil bekräftigte seine Unterstützung für eine neuerliche Kandidatur von Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Die Parteiführung um Klingbeil und Ko-Chefin Saskia Esken war zuletzt angesichts der öffentlich ausgetragenen Personaldebatte unter Druck gekommen: Mehrere Bundes- und Landespolitiker hatten die SPD-Spitze am Dienstag aufgefordert, rasch zu klären, ob Kanzler Scholz oder aber der laut Umfragen populärere Verteidigungsminister Boris Pistorius die SPD als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl 2025 führt.
Klingbeil machte am Mittwoch aber klar, dass er sich nicht drängen lassen will. „Die aufgeregte Debatte, die ich gerade gestern erlebt habe, führt bei mir nicht dazu, dass ich jetzt Zeitpläne überwerfe“, sagte er der „Bild“. Die Forderung, die für Montag geplante Vorstandssitzung vorzuverlegen, lehnte er ab. Klingbeil räumte ein, er sei „nicht glücklich“ über die vielen öffentlichen Äußerungen zu dem Thema in den vergangenen Tagen.
Die nächste Sitzung des SPD-Vorstands gilt als wichtige Wegmarke bei der Aufstellung des Kanzlerkandidaten: Hier könnte ein Votum für Scholz oder Pistorius erfolgen. Bei einer so genannten „Wahlsieg“-Konferenz am 30.November soll der Kandidat dann eine Rede halten. Förmlich nominiert werden solle er auf einem Parteitag am 11. Januar.
Klingbeil sagte zum Prozess der Kandidaten-Benennung, es gebe „eine Verabredung zwischen den Parteivorsitzenden und den anderen in der Führung der Partei, wann wir das machen, und an diesen Plan halten wir uns“. Als Maßstab der parteiinternen Diskussion schwebe ihm vor, „dass wir wirklich intern die Sachen auch in aller Deutlichkeit, Klarheit und manchmal auch kontrovers ansprechen, aber dass wir nach außen geschlossen auftreten“.
Kanzler Scholz kehrte am Mittwochmorgen von einem Besuch in Brasilien nach Berlin zurück. In den zwei Tagen seiner Abwesenheit hatten sich mehrere prominente Sozialdemokraten öffentlich dafür ausgesprochen, anstelle von Scholz Verteidigungsminister Pistorius als Kanzlerkandidat aufzustellen.
Vor seinem Abflug am Dienstagabend hatte der Kanzler in mehreren Fernsehinterviews in Rio de Janeiro bekräftigt, dass er und die SPD die Wahl gemeinsam gewinnen wollen. „Wir haben in den letzten Jahren hohe Geschlossenheit gehabt, die werden wir auch in Zukunft haben“, sagte er den Sendern RTL und ntv. Dass eine Partei vor der Wahl über Kandidaten diskutiere, sei „in so einer Situation normal“.
In einem Interview mit Welt TV sagte Scholz, dass er nicht an der Loyalität von Minister Pistorius zweifle. „Ich bin mir seiner Loyalität sehr sicher“, sagte der Kanzler. Der Verteidigungsminister mache „einen guten Job, und die Zusammenarbeit zwischen uns ist sehr, sehr gut“.
Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel meldete sich derweil mit kritischen Ratschlägen an seine Partei zu Wort. Nötig sei ein grundlegender Kurswechsel: „Das Austauschen von Gesichtern ohne einen sichtbaren Politikwechsel wird nicht viel helfen“, sagte Gabriel dem Berliner „Tagesspiegel“ mit Blick auf die parteiinterne Debatte um Scholz und Pistorius.
Solange sich am Kurs der SPD nichts ändere, werde sie auch mit einem Wechsel des Kanzlerkandidaten „nicht oder nur sehr begrenzt“ erfolgreich sein, warnte Gabriel. „Reichensteuer, mehr Schulden machen und die Sozialausgaben erhöhen scheint jedenfalls nicht das zu sein, was Menschen für die SPD begeistert“, sagte er dem „Tagesspiegel“.
In der SPD-internen Kandidatendebatte hatte sich Gabriel am Dienstag vor allem gegen Scholz gestellt. Im Internetdienst X verwies Gabriel auf wachsenden Widerstand an der Basis „gegen ein ‚Weiter-so‘ mit Kanzler Scholz“ – und warnte: „Wer das weiterlaufen lässt, bringt die SPD unter 15 Prozent.“
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