Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) trieb diese Pläne für einen neuen Wehrdienst voran, das Bundeskabinett brachte sie am Mittwoch auf den Weg. Die Regierung will damit auf eine deutlich verschärfte Bedrohungslage seit Russlands Angriff auf die Ukraine und Rekrutierungsprobleme bei der Bundeswehr reagieren. Kritik kommt von der Linkspartei.
Junge Männer sollen demnach künftig mit Erreichen des wehrfähigen Alters – in der Regel zum 18. Geburtstag – verpflichtend einen Fragebogen ausfüllen. Dieser soll Fragen zur Bereitschaft umfassen, Dienst an der Waffe zu tun, sowie zur Einschätzung der eigenen Fitness und zu Qualifikationen. Frauen bekommen den Fragebogen ebenfalls zugeschickt. Ihnen steht es aber frei, zu antworten, denn das Grundgesetz beschränkt derzeit die Verpflichtung zum Dienst in den Streitkräften in Artikel 12a ausdrücklich auf Männer.
Nächster Schritt nach der Erfassung wäre die Musterung. Bereits davor würde die Bundeswehr aber eine Auswahl treffen: Anhand der zurückgesandten Fragebögen würden nur jene Absenderinnen und Absender zur Musterung eingeladen werden, die besonders geeignet und motiviert für einen Wehrdienst erscheinen. Wenn sie wollen, können die Betroffenen den Plänen zufolge dann sechs Monate eine „Basisausbildung“ bei den Streitkräften machen. Zudem können sie ihre Zeit bei der Bundeswehr freiwillig auf bis zu 23 Monate verlängern.
Pistorius erhofft sich von den Plänen zunächst 5000 zusätzliche Rekruten pro Jahr – dies entspricht den aktuell vorhandenen zusätzlichen Ausbildungskapazitäten bei der Bundeswehr. Die Zahl könnte laut Gesetzentwurf aber schrittweise erhöht werden. Bisher leisten rund 10.000 junge Menschen pro Jahr freiwillig Wehrdienst.
Die Stärke der Truppe liegt seit Jahren unter dem Soll von 203.300 Soldatinnen und Soldaten in Friedenszeiten. Derzeit sind es rund 181.000. Das Verteidigungsministerium verweist darauf, dass zur Bündnisverteidigung innerhalb der Nato zwischen 370.000 und 460.000 Soldatinnen und Soldaten notwendig wären. ,Läuft in Bundestag und Bundesrat bei der Verabschiedung des Gesetzes alles nach Plan, könnte der neue Wehrdienst voraussichtlich bereits im Frühjahr kommenden Jahres starten.
Abgeleitet aus der aktuellen Bedrohungslage sei eine Bundeswehr nötig, „die einen möglichen Konflikt langfristig überstehen und bestenfalls abschrecken kann“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch zum geplanten Vorhaben. Dafür brauche es eine Reserve. Um diese personell auszustatten, „brauchen wir einen Wehrdienst, um kontinuierlich Personal auszubilden und dann der Reserve zur Verfügung zu stellen“.
Kritik an den Plänen für einen neuen Wehrdienst kommt von der Linkspartei. „Der Brief von Pistorius mit dem QR-Code, den jetzt alle 18-Jährigen bekommen sollen, hat kaum etwas mit Wehrpflicht zu tun“, sagte der verteidigungspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, der Nachrichtenagentur AFP. „Der ‚Neue Wehrdienst‘ braucht einen Verwaltungsapparat.“
Im Kern sei Pistorius Vorschlag ein Angebot an die CDU/CSU, die die Wehrpflicht wollen, so Bartsch. Das Verteidigungsministerium beginne nun damit, den Verwaltungsapparat dafür aufzubauen. Bartsch warf Pistorius vor, damit „faktisch auf einen Kabinettsposten in einer möglichen Regierung Merz nach der nächsten Bundestagswahl“ zu schielen. Die Linke sei „gegen jegliche Zwangsdienste, gegen eine Wehrpflicht“, stellte er klar.
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