Der frühere Außenminister und Grünen-Vizekanzler Joschka Fischer hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hauptverantwortlich für die Regierungskrise der Ampel-Koalition gemacht. Der Kanzler zögere immer wieder Entscheidungen hinaus und regiere mit „verbissenem Schweigen, statt die Menschen zu überzeugen“, sagte Fischer der „Augsburger Allgemeinen“ vom Donnerstag. Scholz beschädige sich als Kanzler damit selbst. „Deshalb ist die Krise der gegenwärtigen Regierung zu großen Teilen eine Kanzlerkrise, das muss man ganz nüchtern feststellen“, betonte Fischer.
Deutschland stehe vor gewaltigen Herausforderungen, warnte Fischer. „Wir sind in einer Situation, in der wir sowohl wirtschaftlich, technologisch als auch sicherheitspolitisch ein riesiges Problem haben“, sagte der frühere Außenminister. „Das billige russische Gas ist weg und kommt auch nicht wieder“, fügte der 75-Jährige hinzu. Der große chinesische Exportmarkt habe sich für Deutschland von einer Chance in eine Bedrohung verwandelt. „Und ob die amerikanische Sicherheitsgarantie in der Nato die Präsidentschaftswahlen übersteht, das wissen wir nicht“, erklärte Fischer. „Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie das nicht übersteht, ist groß.“
Scharf kritisierte der Grünen-Politiker die Haushaltspolitik der Koalition: „Man kann eine solche Zäsur, wie wir sie gegenwärtig erleben, nicht mit Sparhaushalten bewältigen“, betonte Fischer. „Deutschland muss jetzt Geld ausgeben, damit die Zukunft gesichert ist. Es ist manchmal zum Verrücktwerden.“
Fischer war in der rot-grünen Regierung unter SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder von 1998 bis 2005 Außenminister und Vizekanzler. Seitdem ist er als Berater und Publizist tätig.
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