Anlässlich des zehnten Jahrestages des Völkermordes an den Jesiden hat die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), einen stärkeren deutschen Einsatz für die Minderheit gefordert. Auch zehn Jahre nach den grausamen Verbrechen brauche es „weiterhin starkes, deutsches Engagement zum Schutz und zur Unterstützung der ethnisch-religiösen Minderheit“, erklärte Amtsberg am Freitag. Ihre jüngste Reise in den Zentral- und Nordirak haben den Eindruck bestätigt, dass die Lebensumstände für Jesidinnen und Jesiden noch immer prekär sind.
Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) rief ab 2014 in weiten Teilen Syriens und des Irak ein sogenanntes Kalifat aus. Zu Beginn ihres Eroberungszuges brachte die Miliz auch das Sindschar-Gebirge im Nordirak unter ihre Kontrolle, wo die nicht-muslimischen Jesiden seit Jahrhunderten leben. Dort und auch in Syrien zwang der IS Frauen und Mädchen in die Sklaverei, rekrutierte Jungen als Kindersoldaten und tötete tausende Männer.
Schätzungsweise 5000 Menschen wurden bei der Repression des IS gegen die Jesiden ermordet, von etwa 3000 Vermissten fehlt weiterhin jede Spur. Im Januar 2023 erkannte der Bundestag die Gewalttaten gegen die Jesiden als Völkermord an. Dieser jährt sich am 3. August zum zehnten Mal. Gedacht wird des Jahrestags am Samstag mit einer zentralen Gedenkveranstaltung in der Frankfurter Paulskirche.
Viele der tausenden vor dem IS geflohenen Menschen lebten seit Jahren in formellen und informellen Camps im Irak unter schwierigen Bedingungen, führte Amtsberg aus. Die irakische Regierung wolle diese Camps zeitnah schließen. Dies sei aus menschenrechtlicher Sicht zwar nachvollziehbar, „da das Leben in Flüchtlingscamps niemals ein Dauerzustand werden sollte“.
Mit der zeitnahen Schließung der offiziellen Camps drohe jedoch eine weitere humanitäre Notlage für die Betroffenen, betonte die Beauftragte. Denn eine sichere Rückkehr nach Sindschar sei unter anderem aufgrund der Sicherheitslage derzeit kaum möglich. „Es ist also davon auszugehen, dass die Betroffenen bei einer verfrühten Schließung der Camps in noch prekärere informelle Strukturen abrutschen.“
Amtsberg forderte die zentralirakische Regierung auf, sich stärker zu engagieren und für eine funktionierende Infrastruktur in Sindschar zu sorgen. Zudem brauche es dringend politischen, realen Fortschritt bei der Umsetzung des Sindschar-Abkommens, das die Bedingungen für den Wiederaufbau und die Rückkehr der Jesiden schaffen soll. Für all diese Herausforderungen bleibe Deutschland ein enger Partner, betonte Amtsberg.
Einen generellen Abschiebestopp für geflüchtete Jesidinnen und Jesiden fordert Linken-Chefin Janine Wissler. Bis zu 10.000 seien von der Abschiebung bedroht. „Im Irak werden sie noch immer verfolgt und sind bedroht“, betonte Wissler. Deutschland dürfe sie deshalb „nicht an ihre Mörder und Sklavenhalter ausliefern und auch nicht in Flüchtlingslager schicken, aus denen es kein Entrinnen gibt“.
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