Das Bruttoinlandsprodukt werde sich 2024 preisbereinigt um 0,2 Prozent verringern und erst kommendes Jahr wieder anziehen, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch in Berlin. Er machte für die Flaute neben strukturellen Versäumnissen auch die Lage auf dem Weltmarkt verantwortlich. Angesichts der schwächelnden Konjunktur wurden erneut Rufe nach einem Aussetzen der Schuldenbremse laut.
Die Bundesregierung korrigierte ihre Prognose deutlich nach unten – im Frühjahr war sie noch von einem Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent in diesem Jahr ausgegangen. Bereits im vergangenen Jahr war die deutsche Wirtschaft preisbereinigt um 0,3 Prozent geschrumpft, nun dürfte das Jahr erneut in der Rezession enden.
„Neben konjunkturellen Risiken schlagen jetzt die strukturellen Probleme Deutschlands zu Buche, und das inmitten großer geoökonomischer Herausforderungen“, sagte Habeck dazu. Er nannte Faktoren wie die Folgen des demografischen Wandels, eine schwierige Wettbewerbsposition Deutschlands sowie die „anhaltend schwache Nachfrage aus dem In- und Ausland“.
Zugleich seien „nicht nur strukturelle Versäumnisse im eigenen Land, sondern eine völlig veränderte globale Landschaft“ Teil der Erklärung für die wirtschaftliche Lage, sagte Habeck. Er zielte dabei besonders auf protektionistische Maßnahmen in China und den USA ab: „Beide Länder, unsere beiden größten Handelspartner, fragmentieren die offenen Märkte zunehmend aus verschiedenen Gründen.“
Es sei „herausfordernd zu sehen, dass der offene amerikanische Markt sich immer stärker abschließt“, sagte Habeck. Das sei bereits unter der aktuellen Regierung von US-Präsident Joe Biden passiert. „Die Gefahr, dass Donald Trump, wenn er Präsident wird, diesen Konflikt weiter anschärft, ist mit den Händen zu greifen.“ So drohten etwa weitere Zölle auf Autos. „Das muss man schon mit großer Besorgnis sehen.“
Zu Beginn des kommenden Jahres rechnet die Bundesregierung wieder mit einer Belebung des privaten Konsums, einer Erholung der Nachfrage nach Industriegütern und mehr Investitionen. Positiv zu bewerten seien bereits jetzt die deutlich abgeschwächte Inflation, gestiegene Einkommen und sinkende Zinsen. Das alles werde den Konsum ankurbeln.
Für 2025 rechnet die Regierung mit einem Wachstum von 1,1 Prozent – statt 1,0 Prozent in ihrer Frühjahrsprognose. Im Jahr 2026 dürften es dann 1,6 Prozent sein. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung hält die Prognose für 2025 allerdings für „übermäßig optimistisch“.
Entscheidend sei, „dass die Wachstumsinitiative jetzt voll umgesetzt wird“, betonte Habeck. „Auch die Bundesländer sind aufgerufen, hier ihren Beitrag zum Wachstum zu leisten.“ Die Initiative umfasst 49 Maßnahmen, etwa finanzielle Anreize für Überstunden, Verlängerungen von Maßnahmen für niedrigere Strompreise, eine bessere Betreuung von Kindern und eine Neuregelung der Steuerklassen.
Aus der Wirtschaft hagelte es Kritik angesichts der zwei Rezessionsjahre in Folge. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben, erklärte, die Wachstumsinitiative könne nur ein Auftakt sein – nötig seien darüber hinaus eine „investitionsfreundliche Unternehmensteuerreform und die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages“ sowie niedrigere Netzentgelte.
Die Bundesregierung solle „eine Notlage erklären und die Schuldenbremse aussetzen“, forderte unterdessen der Wirtschaftsweise Achim Truger. Dies sei angesichts der „dramatischen“ konjunkturellen Lage gerechtfertigt, sagte er den Sendern RTL und ntv. Die deutsche Wirtschaft sei „seit 2019 praktisch nicht mehr gewachsen“. Ähnliche Forderungen äußerte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in der „NOZ“.
Habeck sagte dazu ebenfalls, noch höhere Wachstumsimpulse würden begrenzt durch die Schuldenbremse in den Landesverfassungen und im Bundeshaushalt. „Wenn es dort mehr Spiel geben würde, würden wir als Volkswirtschaft wirklich einmal aus dem Quark kommen.“ An der Schuldenbremse hält zuvorderst die FDP fest – sie erklärte vor allem die Umsetzung der Wachstumsinitiative der Regierung zur obersten Priorität.
© AFP