Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigt sich offen dafür, die Basis der gesetzlichen Rentenversicherung zu verbreitern. „Wir werden in Deutschland auch darüber diskutieren, wie wir langfristig auch weitere Gruppen in den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung einbeziehen“, sagte Heil am Mittwoch den Sendern RTL und ntv. Eine Anhebung des Renteneintrittsalters lehnte der Minister erneut ab.
Forderungen nach Einbeziehung auch von Beamten und Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung kommen aus Linken, Grünen und Sozialverbänden. Sie verweisen dabei auf das österreichische System. Heil sagte dazu, das Rentensystem in dem Nachbarland habe auch Nachteile, es gebe aber Elemente, die man sich anschauen solle, zum Beispiel, „dass es auf breiteren Beinen steht“. Im Vordergrund stehe für ihn, „dass das Rentenniveau nicht durchsackt“ und dass „es keine Rentenkürzungen gibt“.
Statt einem generell späteren Rentenbeginn befürwortet Heil „flexible Übergänge in den Ruhestand“, um unterschiedliche Erwerbsbiografien berücksichtigen zu können. Er warb für Anreize, freiwillig länger zu arbeiten. Ein späteres Renteneintrittsalter bedeute hingegen „gerade für Menschen im Schichtsystem oder in körperlich anstrengenden Berufen“ de facto eine Rentenkürzung. „Deshalb mache ich das auch nicht“, stellte Heil klar.
Heil und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten am Dienstag ein Maßnahmenpaket zur Rente vorgestellt. Demnach soll das Rentenniveau bis 2040 gesetzlich auf dem Stand von 48 Prozent stabilisiert werden. Um den Beitragsanstieg auf mittlere Sicht zu dämpfen, soll ab diesem Jahr mit dem Aufbau eines sogenannten Generationenkapitals begonnen werden. Dafür will der Bund Kredite aufnehmen, das Geld wird unter anderem in Aktien angelegt.
Der FDP-Sozialpolitiker Pascal Kober drang darauf, diesen neuen Fonds rasch umzusetzen. Es sei hier schon viel Zeit verloren worden, „das Projekt darf daher im parlamentarischen Verfahren nicht aus ideologischen Gründen weiter verzögert werden“, verlangte er im Berliner „Tagesspiegel“. Auch müsse das Projekt so ausgestaltet werden, „dass es für weitere Schritte, wie individuelle Beitragszahlungen, offen bleibt“.
Unions-Fraktionsvize Hermann Gröhe kritisierte das Vorhaben der Regierung als unzureichend. „Einen bedeutend höheren Kapitalstock, der notwendig wäre, um nennenswerte beitragsstabilisierende Erträge am Aktienmarkt zu erzielen, konnte Lindner nicht durchsetzen“, sagte er im „Tagesspiegel“ mit Blick auf Widerstände von SPD und Grünen. Gröhe forderte, „die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zu einer zusätzlichen kapitalgedeckten Vorsorge zu verpflichten und dies bei niedrigen Einkommen zu unterstützen“.
Eigene Beiträge für eine ergänzende, kapitalgedeckte Altersvorsorge anzulegen sei der beste Ansatz, um die demografisch bedingten Engpässe bei der Rentenfinanzierung auf Dauer zu überwinden, sagte auch der Wirtschaftsweise Martin Werding der Funke Mediengruppe. Dafür habe die Regierung jetzt „eine zweite Chance“ in Verbindung mit der von ihr angekündigten Reform der Riester-Rente. Mit Blick auf das „Generationenkapital“ kritisierte Werding, dass das Kapital dafür auf Krediten basieren soll. Der Ertrag sei deswegen „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“.
Auch der Chef des Wirtschaftsinstituts IW, Michael Hüther, äußerte Zweifel an den Renditehoffnungen der Bundesregierung. Erforderlich sei eine Nettorendite von mindestens drei Prozent. Dies sei „außerordentlich ambitioniert“, sagte er der „Rheinischen Post“.
Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, äußerte Zweifel, ob die dauerhafte Garantie eines Rentenniveaus von 48 Prozent mit der demografischen Entwicklung in Einklang zu bringen sei. In den RND-Zeitungen äußerte auch er Zweifel an den Erträgen des „Generationenkapitals“
Positiv zu den Rentenplänen der Regierung äußerte sich der Präsident des Wirtschaftsinstituts DIW, Marcel Fratzscher. Diese seien „ein guter Schritt in die richtige Richtung“ auch wenn sie zur Bekämpfung der Altersarmut nicht ausreichten, sagte Fratzscher der „Rheinischen Post“. Die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent sei „die richtige Priorität“.
© AFP