Die Daten zeigten, „dass es zum 1. Januar keine Bürgergelderhöhung gibt“, sagte Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch. Er verwies auf den gesetzlich festgelegten Berechnungsweg. Linke-Chef Martin Schirdewan warf dem Minister „Zynismus“ vor. FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer forderte erneut mehr Druck auf Menschen im Bürgergeldbezug.
Die Bundesregierung ist gesetzlich verpflichtet, die Bürgergeld-Höhe jedes Jahr anhand bestimmter Kriterien zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Bei den Berechnungen fließt zu 70 Prozent die Inflation und zu 30 Prozent die Nettolohnentwicklung ein. Zu Jahresbeginn 2024 war das Bürgergeld wegen der vorher hohen Inflation verhältnismäßig stark angestiegen. Zuletzt ging die Inflation deutlich zurück.
Heil sagte in Berlin, „wenn die Preise deutlich steigen, und das ist im letzten Jahr passiert, dann gibt es deutliche Erhöhungen“. Die Zahlen, „die wir jetzt vom Statistischen Bundesamt haben, und der Rechtsmechanismus ergeben, dass wir zum 1. Januar eine Nullrunde haben, weil das Existenzminimum damit abgesichert ist“. Es gebe „keinen Zweifel“ daran, unterstrich Heil. Die Bürgergeldsätze würden „nicht gewürfelt“.
Linke-Chef Schirdewan kritisierte Heil scharf. Dass der Minister „den Armen nun eine Nullrunde verordnet, ist an Zynismus nicht zu überbieten“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Die Inflation in Deutschland sei „nicht vorbei“, mahnte Schirdewan; insbesondere die Lebensmittelpreise zögen immer weiter an. „Das trifft die Armen besonders hart, weil sie einen Großteil ihres Geldes für Essen und Trinken ausgeben müssen.“
Schirdewan beklagte, dass es parallel Gehaltssteigerungen für die Bundesminister gegeben habe. Dabei hätten die Kabinettsmitglieder „eine solche Nullrunde verdient“.
Die Vorständin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Anja Piel, erklärte in Berlin, das Existenzminimum heiße so, „weil es die unterste Abbruchkante zur Armut markiert, und deshalb müssen steigende Preise auch weiterhin beim Bürgergeld berücksichtigt werden“. Dass die Erhöhung zu Jahresbeginn von vielen als zu stark und ungerecht empfunden worden sei, „hat weniger mit dem Bürgergeld zu tun, sondern liegt an immer noch zu niedrigen Einkommen“.
Dass ausgerechnet bei Bürgergeldbeziehenden „aufgelaufene Kaufkraftverluste erst sehr viel später ausgeglichen werden, ist kaum nachvollziehbar“, fügte Piel hinzu. „Viel besser und transparenter wäre es, für die jährliche Anpassung das absehbare Preisniveau des kommenden Jahres heranzuziehen.“
FDP-Fraktionsvize Meyer dagegen beklagte insgesamt zu hohe Aufwendungen für die Sozialleistung. „Wir geben in diesem Jahr so viel für das Bürgergeld aus wie für Sicherheit und Polizei, Wohnen und Bildung zusammen, so kann es nicht weiter gehen“, sagte er AFP. „Mehr Effizienz, mehr Anreize für eine schnellere Arbeitsaufnahme und strikte Sanktionen mit Leistungskürzungen sind beim Bürgergeld notwendig und werden von der arbeitenden Bevölkerung erwartet.“
Meyers Fraktionskollege Jens Teutrine sagte dem „Tagesspiegel“, die Nullrunde beim Bürgergeld sei „richtig und längst überfällig“. Es solle außerdem geprüft werden, „ob nicht auch eine Reduzierung der Regelsätze möglich sein sollte, insbesondere wenn – wie bei der letzten Berechnung – die Inflation höher eingeschätzt wurde, als sie sich tatsächlich entwickelt hat“.
Für geboten hält eine Kürzung der Arbeitsmarktexperte der Unionsfraktion, Stephan Stracke (CSU). Das Bürgergeld sei in den vergangenen beiden Jahren um insgesamt rund 24 Prozent erhöht worden, erklärte er in Berlin. „Das wird von der arbeitenden Bevölkerung angesichts der geringeren Lohnentwicklung als übermäßig empfunden. Rein rechnerisch müsste es jetzt zu einer Kürzung des Bürgergelds kommen.“ Dies ist allerdings nach derzeitiger Rechtslage ausgeschlossen.
Der CSU-Sozialpolitiker Peter Aumer erklärte, das Bürgergeld „sprengt den Haushalt und macht Sozialleistungen für viele attraktiver als den täglichen Weg zur Arbeit“. Es müsse abgeschafft werden, das sei „die einzige Möglichkeit“.
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