Tausende Landwirte in ihren Traktoren, unterstützt von Lkw-Fahrern, haben am Montag in Berlin gegen die Politik der Bundesregierung demonstriert. Am frühen Vormittag waren laut Polizei „weit über 5000 Fahrzeuge“ im Zentrum der Hauptstadt zusammengekommen. Für den frühen Nachmittag haben die Spitzen der Ampel-Fraktionen im Bundestag Vertreter der Bauern zum Gespräch eingeladen. Zunehmend Zustimmung gab es für die Forderung nach einer Tierwohlabgabe.
Im Bereich rund um das Brandenburger Tor kam es am Morgen zu massiven Verkehrsbeeinträchtigungen. Sie blieben laut Polizeisprecherin jedoch „im erwarteten Rahmen“. Bereits am Wochenende waren Traktorkolonnen aus verschiedenen Regionen nach Berlin gefahren. Weitere Branchen wie das Transportgewerbe, die Fischerei und das Gastgewerbe schlossen sich den Protesten an.
Die Großdemonstration soll den Abschluss einer ganzen Woche mit Protestaktionen im ganzen Land bilden. Die Bauern dringen auf eine Rücknahme der von der Bundesregierung geplanten Subventionskürzungen. Die Subvention von Agrardiesel soll bis 2026 schrittweise abgeschafft werden.
Am Nachmittag wollen sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann und FDP-Fraktionschef Christian Dürr mit Vertretern der Bauern im Bundestag treffen. Dürr sagte im ARD-„Morgenmagazin“, es gehe „in Wahrheit um mehr“ als die Subventionskürzung. „Wenn man immer mehr Bürokratie verursacht, dann wird es teurer für die Landwirte.“ Dies betreffe etwa den Pflanzenschutz. Auf EU-Ebene sollte auf weitere Pläne zur Flächenstilllegung verzichtet werden.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) warb in der „Süddeutschen Zeitung“ für eine Tierwohlabgabe, aus deren Einnahmen Landwirtinnen und Landwirte beim Umbau ihrer Ställe unterstützt würden. „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, vielmehr müssen wir es jetzt endlich mal einbauen.“
„Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können – so, wie es doch alle verlangen“, sagte Özdemir der Zeitung weiter. „Wer es wirklich ernst meint mit einer zukunftsfesten Landwirtschaft, muss da endlich springen.“
Empfehlungen für eine solche Abgabe hatte eine Kommission unter dem Vorsitz des einstigen Landwirtschaftsministers Jochen Borchert Anfang 2020 vorgelegt. Demnach würde je Kilo Fleisch, Milch oder Eiern eine Abgabe fällig. Die Einnahmen kämen dann Landwirten zugute, die ihre Ställe zum Wohl der Tiere umbauen. Özdemir sprach in der „Süddeutschen“ von einem „Tierwohl-Cent“.
Die stellvertretende FDP-Fraktionschefin Carina Konrad sagte der „Süddeutschen“, die aktuelle Diskussion über die Lage der Landwirte sei womöglich der richtige Zeitpunkt für diesen Schritt. „Ich wäre die letzte, die dagegen ankämpfen würde, wenn sich das rechtssicher umsetzen lässt.“ Der FDP-Agrarpolitiker Gero Hocker sagte der Zeitung: „Wenn wir eine Tierwohlabgabe hinbekommen, die europarechtlich sauber ist und nicht Produkte aus Deutschland stärker belastet als solche aus dem Ausland, dann ab dafür.“
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese sagte dem „Spiegel“, die von der großen Koalition eingesetzte Zukunftskommission Landwirtschaft oder die Borchert-Kommission hätten gute Vorschläge gemacht. „Diese sollten wir uns gemeinsam noch mal vornehmen.“ ,Der Milchindustrie-Verband, der die Molkereien vertritt, wandte sich gegen eine Tierwohlabgabe. Für die Molkereien würde eine solche Abgabe eine große finanzielle Belastung bedeuten, „eine Abwälzung auf den Verbraucher wäre schwierig“. Der Verwaltungsaufwand wäre zudem sehr hoch.
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