Ganz beigelegt war der Haushaltsstreit der Ampel-Koalition trotz der Last-Minute-Einigung im Juli ohnehin nicht, doch nun hat das Finanzministerium für die nächste Diskussion in der Bundesregierung gesorgt. Dessen Forderung nach Nachverhandlungen am Etatplan für das kommende Jahr und Einsparungen im Sozialbereich sorgten am Freitag für scharfe Kritik bei SPD und Grünen. Die Union fordert indes eine Beilegung des Streits noch vor Ende der Sommerpause.
Der im Juli nach monatelangen Diskussionen in der Ampel-Regierung beschlossene Haushaltsentwurf für 2025 soll nach der parlamentarischen Sommerpause ab September im Bundestag beraten und bis Ende November beschlossen werden. FDP-Finanzminister Christian Lindner hatte sich in den schwierigen Verhandlungen über das Budget mit seiner Forderung der Einhaltung der Schuldenbremse durchgesetzt.
Vom Finanzministerium beauftragte Experten meldeten nun aber verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Etatplan an. Konkret geht es insbesondere um Zuschüsse für die Deutsche Bahn und die Autobahn GmbH, die als Darlehen umgewidmet werden sollen. Da unklar ist, ob diese wieder zurückgezahlt werden können, steht den Experten zufolge die Schuldenbremse auf der Kippe. Das Ministerium zieht daraus den Schluss, dass im Parlament neu über die Ausgaben verhandelt werden muss.
Bei SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich stößt dies auf scharfe Kritik. „Es ist unverantwortlich und im Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative bei der Haushaltsaufstellung einmalig, wenn dabei ein Teil der Bundesregierung die alleinige Verantwortung an das Parlament delegiert“, sagte Mützenich der „Süddeutschen Zeitung“.
Auch SPD-Chefin Saskia Esken griff Lindner scharf an. Dessen Bewertung der Gutachten sei „sehr eigenwillig“, sagte Esken im TV-Sender Welt. Aus diesesn ergebe sich nicht zwangsläufig eine Notwendigkeit zur Neuverhandlung des Haushalts. Lindners Verhalten überschreite „die Grenze des Erträglichen“. Kürzungen im Sozialbereich werde es mit der SPD auch bei einer Neuverhandlung nicht geben.
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Helge Braun (CDU), rief die Bundesregierung zu einer raschen Klärung auf. Diese müsse „vor dem Beginn der parlamentarischen Beratungen Anfang September“ einen verfassungsgemäßen Haushaltsplan dem Bundestag vorlegen, schrieb Braun im Onlinedienst X.
„Bis zum 16. August muss die Regierung zeigen, wie sie das 17-Milliarden-Loch stopfen will“, sagte der Chefhaushälter der Unionsfraktion, Christian Haase (CDU), der „Rheinischen Post“. Bis 16. August soll das Finanzministerium den Haushaltsentwurf formal dem Bundestag übermittelt haben. „Andernfalls müssen die Haushaltsberatungen verschoben werden“, sagte Haase.
Die Grünen sehen Lindner nun in der Pflicht, neue Lösungen zu finden. „Kopf-in-den-Sand-Politik ist jetzt zu wenig. Ein Finanzminister kann nicht nur Vorschläge verwerfen, er muss Lösungen entwickeln“, sagte Fraktionsvize Andreas Audretsch der „Rheinischen Post“. „Rechtlich und finanzpolitisch ist dafür ausreichend Spielraum vorhanden.“
Gegen die Kritik an seinem Parteichef wehrte sich FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer. „Die FDP benennt Prioritäten, macht Vorschläge zur Konsolidierung und will einen verfassungskonformen Haushalt“, sagte Meyer der Nachrichtenagentur AFP. Die FDP erwarte von SPD und Grünen nun „konstruktive Konsolidierungsvorschläge“. Meyer machte erneut deutlich, dass eine Aussetzung der Schuldenbremse für die Liberalen nicht zur Debatte steht.
Für die Union sind die Experteneinschätzungen eine „Klatsche für den Bundeskanzler“. Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) sagte der AFP: „Schon vor über zwei Wochen haben wir darauf hingewiesen, dass die angebliche Einigung zum Bundeshaushalt erneut nur mit Tricksereien zustande gekommen ist.“ Schon damals sei klar gewesen, „dass die Idee, Kredite an DB und Autobahn GmbH zu vergeben, nicht funktionieren kann.“ Für die Bundesregierung heiße es nun „Nachsitzen“.
Zur Haushaltsdisziplin mahnt der Bund der Steuerzahler. „Die ‚Ampel‘ ignoriert ihr Versprechen, die Bundesfinanzen konsolidieren zu wollen, und verzichtet auf eine durchgreifende Sparpolitik“, sagte Verbandschef Reiner Holznagel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
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