Knapp zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben Berlin und Kiew eine bilaterale Sicherheitsvereinbarung geschlossen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Vereinbarung, die er am Freitag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Berliner Kanzleramt unterzeichnete, als einen „historischen Schritt“. Deutschland werde in seiner Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen, betonte Scholz. Überschattet wurde das Treffen durch die Nachricht vom Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny.
„Das Dokument kann in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden“, sagte Scholz nach der Unterzeichnung der bilateralen Vereinbarung an der Seite Selenskyjs im Kanzleramt. Diese enthalte langfristige bilaterale Sicherheitszusagen und lege fest, dass Deutschland die Ukraine weiterhin bei ihrer Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg unterstützen wird – und das so lange, wie dies nötig sei, sagte Scholz.
Deutschland werde die Ukraine auch beim Aufbau „moderner wehrhafter Streitkräfte unterstützen, um jeden zukünftigen Angriff abzuschrecken“, fügte der Kanzler hinzu. „Und sollte es in Zukunft noch einmal zu einer russischen Aggression kommen, haben wir detaillierte Unterstützungsvereinbarungen getroffen – diplomatisch, wirtschaftlich und wie heute auch mit militärischer Ausrüstung.“
Die Sicherheitsvereinbarung mit Kiew sei knapp zwei Jahre nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auch „eine glasklare Botschaft“ an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: „Wir werden in unserer Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen. Wir stehen weiter fest an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer.“
„Natürlich wünschen wir uns alle ein baldiges Ende dieses brutalen Krieges“, sagte Scholz. „Leider sehen wir, Russland ist nicht zu einem dauerhaften und gerechten Frieden bereit – im Gegenteil, es hält an seinen Kriegszielen erbarmungslos fest.“
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte im Onlinedienst X, die neue Vereinbarung mit Kiew sende die klare Botschaft, dass Deutschland an der Seite der Ukraine stehe, so lange wie dies nötig sei. ,Auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nannte die neue Vereinbarung mit „historisch“. Erstmals in ihrer Geschichte trete die Bundesrepublik dabei „als Garantiestaat in Erscheinung“.
Das Bundesverteidigungsministerium gab außerdem ein neues Rüstungspaket für die Ukraine bekannt. Dieses habe einen Wert von rund 1,13 Milliarden Euro. Vorgesehen ist unter anderem die Lieferung von Panzerhaubitzen und Luftabwehrsystemen.,Selenskyj dankte Scholz für die Unterstützung Deutschlands und nannte die Sicherheitsvereinbarung „beispiellos“. Diese stehe sinnbildlich für die „zentrale Rolle Deutschlands bei der Aufrechterhaltung der Normalität in Europa und der Welt“.
Für große Bestürzung bei Scholz und Selenskyj sorgte die Nachricht vom Tod des russischen Oppositionspolitikers Nawalny, der nach Angaben der russische Strafvollzugsbehörde FSIN am Freitag in seiner Strafkolonie in der russischen Polarregion starb. ,Der Kreml-Kritiker habe offenbar seinen Mut „bezahlt mit seinem Leben“, sagte Scholz. Der ukrainische Präsident forderte, Putin für den Tod Nawalnys zur Rechenschaft zu ziehen. Der russische Staatschef müsse „für seine Verbrechen bezahlen“, sagte Selenskyj.
Der ukrainische Präsident sollte nach seinem Gespräch mit Scholz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen werden. Anschließend reist Selenskyj nach Paris weiter. Dort will er am Abend auch mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron eine bilaterale Sicherheitsvereinbarung unterzeichnen.
Die G7-Staaten hatten der Ukraine im Juli 2023 am Rande des Nato-Gipfels in Vilnius „langfristige Sicherheitszusagen“ in Aussicht gestellt. Großbritannien unterzeichnete im Januar als erstes G7-Land eine entsprechende Vereinbarung mit Kiew.
Der ukrainische Staatschef erklärte vor seiner Ankunft in Berlin im Onlinedienst Telegram, er werde bei seinen Besuchen in Deutschland und Frankreich über „eine neue Sicherheitsarchitektur für die Ukraine“ diskutieren. Sein Land versuche, „den Krieg so schnell wie möglich zu fairen ukrainischen Bedingungen zu beenden“. Am Samstag ist Selenskyj bei der Münchner Sicherheitskonferenz zu Gast, wo er eine Rede halten und Gespräche mit US-Vizepräsidentin Kamala Harris führen will.
Der Besuch des ukrainischen Präsidenten erfolgt vor dem Hintergrund der schwierigen Lage der Ukraine im Krieg gegen Russland. Kiew bemüht sich derzeit auch verstärkt um weitere militärische Hilfen der westlichen Verbündeten. In den USA streiten die Demokraten von Präsident Joe Biden und die oppositionellen Republikaner derzeit über die weitere Unterstützung der Ukraine.
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